Belagerung von Neuss 1474-1475
England und Burgund führten Krieg gegen Frankreich und Deutschland. In dieser Zeit rückte der Herzog von Burgund – Karl der Kühne – in das Kurfürstentum Köln ein und belagerte dort die kleine, aber befestigte, Stadt Neuss. Die Verteidigung der Stadt stand unter dem Oberbefehl des Bischofs Hermann von Hessen, der auf eine Besatzung von 1.800 Soldaten zurückgreifen konnte.
Der Herzog von Burgund befehligte ein Heer, in dem 3.000 englische und 3.000 italienische Söldner dienten und wollte mit diesen die Stadt schon beim ersten Angriff einnehmen. Die Engländer in seinem Heer führten den Überfall auf Neuss mit großer Tapferkeit durch, wurden aber mit beträchtlichen Verlusten abgewehrt. Nach diesem misslungenen ersten Angriff, schlossen die Belagerer Neuss von allen Seiten ein.
Die Stadt Neuss liegt an der Erft, eine halbe Stunde oberhalb ihrer Mündung in den Rhein. Eine Flussinsel im Rhein, die von Soldaten der Stadt Neuss besetzt war, begünstigte die Zufahrt von Schiffen aus Köln, wodurch die Belagerten mit Nahrungsmitteln versorgt werden konnten. Am rechten Rheinufer stand ein 15.000 Mann starkes deutsches Truppenkorps, das den Weg bewachte, den die Nahrungsmittelzufuhren über den Fluss nahmen.
Daher beschloss der Herzog von Burgund, als erstes diese Insel einzunehmen. Die Italiener erklärten sich freiwillig dazu bereit, die Insel zu erobern. Sie hofften, den Rhein an einer Furt bis zur Insel durchwaten zu können. Die Strömung des Rheins war aber zu stark, so dass sie nach einigen Verlusten wieder umkehren mussten. Daraufhin ordnete der Herzog die Errichtung eines Dammes nach der Insel im Rhein an, um diese zu überfluten. Zur gleichen Zeit ließ er die Erft umleiten, um die Angriffe auf Neuss ungehinderter durchführen zu können. Die Arbeiten wurden unverzüglich begonnen, dauerten aber sehr lange.
Währenddessen gab Kaiser Friedrich III. den dringenden Bitten der Kölner und vieler Reichsfürsten nach und versprach, ein Heer von 20.000 Mann zur Unterstützung der Stadt Neuss zu senden. Die Aufrüstung und Bewaffnung der Truppen dauerte jedoch so lange, dass der Herzog von Burgund die Belagerung während der nächsten Wochen und Monaten ungestört fortsetzen konnte. Er wollt edie Stadt so schnell wie möglich bezwingen, um sich gleich danach wieder zusammen mit England dem Krieg gegen Frankreich zu widmen. So dauerte die Belagerung von Neuss schon 6 Monate, als die Stadt von allen Seiten eingeschlossen und von allen Hilfslieferungen abgeschnitten wurde. Daher fehlte bald nicht nur die Nahrung, sondern auch Munition und Pulver für die Verteidigungsgeräte.
Im November kam dann endlich Kaiser Friedrich mit einem Heer von 60.000 Mann in Andernach an. Und obwohl dieses Heer in einiger Entfernung von Neuss Halt machte, musste der Herzog von Burgund einen Teil seiner Truppen von der Belagerung abziehen, um sich den Deutschen in den Weg zu stellen und nicht im eigenen Lager eingeschlossen zu werden. Durch diese Ablenkung durch Kaiser Friedrich konnte Neuss von den Belagerern nicht mehr so streng bewacht werden, so dass wieder einige Hilfslieferungen aus Köln in die Stadt gelangten.
Der König von Dänemark bot dem Herzog von Burgund seine Vermittlung an und reiste in das burgundische Lager, wo er sich zwei Monate lang aufhielt. Aber alle Bemühungen waren umsonst, da Karl der Kühne von Burgund unter allen Umständen die Stadt Neuss einnehmen wollte und ohne diesen Sieg seine Stellung nicht verlassen wollte.
Zur Jahreswende 1475 stand Kaiser Friedrich noch immer den burgundischen Truppen gegenüber, ohne sie angegriffen zu haben. Allgemein schreibt man dem Kaiser nur eine geringe Kenntnis der Kriegskunst zu. Er wollte lieber auf Verstärkungstruppen warten, die aber ebenfalls äußerst langsam eintrafen, und verpasste deshalb günstige Zeitpunkte für einen Angriff. Außerdem brach der König von Frankreich sein Wort, indem er keine 20.000 Soldaten zur Unterstützung des deutschen Heeres schickte.In diesem Zustand brach bald das Frühjahr an, als die noch fehlenden Reichstruppen endlich eintrafen und sich dem Heer von Friedrich III. anschlossen. Endlich entschloss sich Friedrich von Andernach nach Köln vorzurücken, wo er am 20. März eintraf. Mitte April zog er dann in Richtung Neuss und lagerte gegenüber des burgundischen Heeres. Seine Armee zählte nun 100.000 Mann, aber auch trotz seiner zahlenmäßigen Überlegenheit beschränkte er sich auf unbedeutende Angriffe, deren einziger Zweck war, zu ermöglichen, weitere Hilfslieferungen nach Neuss zu schmuggeln.
Erst am 24. Mai kam es zu einer großen Schlacht: Beide Heere waren durch die Erft getrennt. Die Deutschen zogen ihren rechten Flügel an den Rhein und den linken an eine Anhöhe. Die Burgunder überschritten die Erft über eine Furt und griffen den linken Flügel an. Die Geschütze der Burgunder eröffneten das Feuer und brachten Unordnung in das Lager der Deutschen. Sofort drangen burgundische Lanzenträger mit englischen Bogenschützen vor, um den verschanzten Hügel im Sturm zu nehmen. Die italienische Reiterei unter Führung des Grafen Campo Bosso, griff die Flüchtenden deutschen Soldaten an und setzte ihnen bis in ihr Lager nach, wodurch sie große Verluste erlitten.
Die Deutschen versuchten dann einen Ausfall mit 3.000 Reitern, der jedoch von den Italienern zurückgeworfen wurde. Jetzt setzte sich Heinrich von Schwarzenberg, Bischof von Münster, an die Spitze eines Korps von 5.000 Deutschen und drängte die Burgunder nach erbittertem Widerstand zurück. Doch als Karl der Kühne neue Truppen aus seinen Reihen vorzog, drängte er Heinrich von Schwarzenberg wieder zurück. Als sich schon viele Deutsche durch die Flucht über den Rhein zu retten versuchten, setzte die hereinbrechende Nacht der Schlacht ein vorübergehendes Ende.
Nach dieser Schlacht sach sich Karl der Kühne zu Verhandlungen genötigt, da ihm sowohl die Schweizer, als auch die Franzosen im Rücken bedrohten. Durch diese Verhandlungen wurde am 9. Juni ein Frieden geschlossen. Kaiser Friedrich III. hatte so wenig Autorität über die deutschen Reichstruppen, dass diese gegen seinen Befehl – auf eigene Faust – das Lager der Burgunder noch während der Friedensverhandlungen angriffen. So kam es zu erneuten, aber unentscheidenden Gefechten. Karl der Kühne erreichte während der Verhandlungen noch, dass das deutsche Heer zuerst abziehen sollte und gab dann, wie abgemacht, die Belagerung der Stadt Neuss nach 10 Monaten am 27. Juni 1475 auf. [2, S. 1243-1248]