Die ersten Seidenraupen in Europa

Einführung

Ich habe euch schon gesagt, dass Kaiser Justinian die ersten Seidenraupen nach Konstantinopel bringen ließ.

Das Vaterland dieser nützlichen Tierchen ist Ostindien und China, wo sie sich, wie unsere normalen Raupen, in großer Menge auf den Maulbeerbäumen im Freien einspinnen. Wer sich da Seide verschaffen will, der muss einfach die Kokons von den Zweigen abnehmen, sie in heißes Wasser werfen und abwinden, denn der Seidenfaden ist schon von der Raupe gesponnen, aber so fein, dass man immer acht oder zehn Fäden zusammen nehmen muss, wenn sie haltbar sein sollen. Durch die Erfahrung lernte man aber, dass die Seide weit schöner wird, wenn man die Raupen nicht sich selbst überlässt, sondern sie zu Hause ordentlich füttert und pflegt.

Inhalt

Seidenhandel

Dies taten die Chinesen und Inder schon tausend Jahre vor Christi Geburt; sie verkauften in der Folge ihre seidenen Gewebe durch die Dritte Hand an die Römer und Griechen für einen so hohen Preis, dass sie sich noch 200 Jahre nach Christi Geburt für ein Pfund Seide ein Pfund Gold bezahlen ließen, und dass es noch 2 bis 300 Jahre nach Christi Geburt für einen Beweis großer Üppigkeit galt, ein ganz seidenes Kleid zu tragen. Reiche Leute gaben ihnen gern dafür, was sie verlangten.

In Europa glaubte man damals, die Seide wachse, wie die Baumwolle, auf gewissen Bäumen; dass sie das Gespinst einer Raupe sei, wusste hier bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. niemand.

Wissen über Seide

Zur Zeit des Kaisers Justinian (also im 6. Jahrhundert) wurden an seinem Hofe die Kleider aus Seide sehr stark getragen. Als aber die Kriege mit den Persern anfingen, blieben die Kaufleute mit ihren Seidenwaren aus, und bald konnte man sie um keinen Preis mehr bekommen.

Der Kaiser Justinian war schon im Begriff, ein Schiff durch den arabischen Meerbusen auslaufen, und die so beliebten Seidenzeuge unmittelbar aus Indien holen zu lassen; als gerade zu rechter Zeit zwei Mönche von einer Reise aus jenen Gegenden, wo sie versucht hatten, Heiden zu bekehren, zurück kamen, und einige Kokons der Seidenraupe als eine Seltenheit mitbrachten.

Durch sie erfuhr man erst, was die Seide ist, wie sie von Raupen gesponnen wird, und wie man diese hegt und mit Maulbeerblättern füttert. Nun wurde von dem Kaiser Justinian beschlossen, die Mönche eine zweite Reise machen zu lassen, dass sie Eier von diesen nützlichen Insekten nach Konstantinopel bringen möchten, wo es nicht an Maulbeerbäumen fehlte.

Einfuhr der Seide

Dies geschah auch wirklich im Jahre 565. In ihren hohlen Wanderstäben trugen sie glücklich eine kleine Menge Eier nach Griechenland herüber, die im nächsten Frühling im Mist ausgebrütet wurden. Von dort an vermehrten sich die Seidenraupen so schnell, dass bald in Konstantinopel, Athen, Korinth und Theben Seidenmanufakturen angelegt werden konnten.

Aus Griechenland kam der Seidenbau erst nach Italien und Sizilien, dann nach Spanien, nach Frankreich, und über Frankreich endlich vor 135 Jahren auch nach Deutschland. In unsern Gegenden will er aber nicht recht gedeihen, weil das Klima etwas zu kalt für die Seidenraupen ist, und auch die Maulbeerbäume nicht überall gut wachsen.

Quelle:

    • Dr. Georg Ludwig Jerrer: Die Weltgeschichte für Kinder, Band 2, 5. Ausgabe, Nürnberg: Verlag von Friedrich Campe, 1833.
    • Tiefergehende Informationen gibt es in dem Buch „Skizzen Aus Dem Leben Der Seidenraupe Und Der Geschichte Ihrer Verbreitung“:

Ein Kommentar:

  1. Es waren wohl die Inder gemeint nicht die Indianer!

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