Prostitution im Mittelalter

Einführung

Prostituierte Frauen nannte man damals Huren oder meretrix (lateinisch). So wurden außerdem noch die Konkubinen (Geliebte) der Geistlichen genannt und Frauen anderer unbeliebter Gruppen, wie z. B. die Frauen der Spielleute. Daran sieht man, dass der Begriff „Hure“ negativ behaftet war und wohl auch als Beleidigung diente.

Inhalt

Definition von „Prostitution“ im Mittelalter

Es war schwierig für die Menschen im Mittelalter, den Begriff „Prostitution“ zu definieren. Nicht einmal Rechtsgelehrte des Kirchenrechts konnten untereinander genau klären, wann Prostitution wirklich bestand. Nicht mal das Annehmen von Geld für körperliche Dienste war ein zwingendes Kriterium für Prostitution.

Wichtiger war damals das Kriterium „Anzahl der Geschlechtspartner“. Also anders als heute: Wenn eine Frau mit 50 Männern Sex hatte und jedesmal Geld verlangt hatte, konnte es vorkommen, dass sie nicht als Prostituierte bezeichnet wurde. Die großzügigsten Gelehrten waren dafür, dass eine Frau erst nach dem dreiundzwanzigtausendsten Mann als Hure galt. Dabei war es egal, ob sie Geld verlangt hatte oder nicht. Die niedrigsten Meinungen lagen bei 40 verschiedenen Geschlechtspartnern.

Eine Definition als Beispiel steht im „Fasciculus Morum“:

„Der Begriff Hure allerdings darf nur auf solche Frauen Anwendung finden, die sich jedermann hingeben, ohne sich zu verweigern, und die das auch noch für Geld tun.“

Was war nun, wenn eine Hure im Hurenhaus bisher 23.000 Kunden hatte, Geld für ihre Dienste verlangt hatte, sich aber einem einzigen Kunden verweigerte? Man sieht, das Mittelalter hatte ein Definitionsproblem, was Prostitution betraf. Und das wichtigste Kriterium war die Anzahl der Männer.

Rechte der Prostituierten

Juristen und Theologen wussten schon damals, dass für Huren das Geschäft im Vordergrund stand. Deshalb schrieben einige darüber, wann und unter welchen Umständen eine Hure Geld für die geleisteten Dienste nehmen durfte. Es gab die Meinung, dass eine Prostituierte das „Sündengeld“ für ihre Dienste durchaus behalten dürfe. Der Gelehrte Thomas Chobham war sogar der Meinung, dass Huren eine angemessene Bezahlung für ihre Dienste bekommen sollten. Dies aber nur dann, wenn sie den Freier nicht betrogen hatte; und betrogen hatte sie ihn z. B. schon, wenn sie Schminke benutzt hatte, um jünger auszusehen. In diesem Fall hatte sie kein Anrecht auf Bezahlung, oder nur auf den Anteil, den der Freier bereit gewesen wäre zu zahlen, wenn er gewusst hätte, wie alt sie wirklich war.

Es war auch bekannt, dass viele Frauen aus wirtschaftlicher Not in die Prostitution gingen, dennoch wurde das in der Gesellschaft und von einigen Heiligenlegenden heruntergespielt. Rechtsgelehrte glaubten zum Beispiel, dass ein Dieb entschuldigt werden könne, wenn er aus finanzieller Not gehandelt hatte; aber wenn sich eine Frau aus finanzieller Not prostituierte, konnte dies nicht entschuldigt werden. Danach gibt es eine Heiligenlegende vom heiligen Nikolaus. Nach dieser Legende warf der heilige Nikolaus in das Haus eines armen Mannes drei Beutel voll Gold, damit er seine drei Töchter nicht in die Prostitution verkaufen musste.

Frauen gingen meist aus wirtschaftlicher Not in die Prostitution. Die Einkommen von Frauen waren sehr dürftig, da sie auch aus vielen Zünften ausgeschlossen wurden. Man darf jedoch nicht glauben, dass die Prostitution gut bezahlt war, es war wahrscheinlich gerade so viel, damit eine Frau leben konnte und ggf. sich um ihren Nachwuchs sorgen konnte.

Arbeitsbedingungen und Lebensbedingungen der Prostituierten

Bordellarten

Manche Prostituierten in deutschen Städten arbeiteten in Bordellen, die von der Obrigkeit (den Herrschenden) gegründet wurden. Manchmal waren es aber auch private Bordelle, die von den Obersten der Stadt zugelassen wurden. Wieder andere gehörten der Stadt selbst und wurden von einem Verwalter geleitet. Diese Art der öffentlichen Bordelle waren meist auch gleichzeitig Badehäuser.

Bordellordnungen der öffentlichen Bordelle

Badehäuser wurden in Zeiten kirchlicher Feste geschlossen, so wie z. B. in der Karwoche oder der Fastenzeit. Solche Bordellordnungen dienten auch zum Schutz der Frauen; so war es z. B. dem Bordellwirt verboten, die Huren zu schlagen. Aber die Bordellordnungen engten auch die Lebensumstände der Huren ein; sie durften z. B. keinen Geliebten haben, der kein Kunde war.

Die meisten Huren aber arbeiteten unter kaum reglementierten Umständen in privaten Bordellen oder auf eigene Faust. Es gibt nämlich Belege, dass Huren, die in öffentlichen Bordellen arbeiteten, sich bei der Obrigkeit über Konkurrentinnen beschwerten, die ihnen die Kunden wegnahmen. Gegen diese Konkurrentinnen wurden aber von der Obrigkeit keine Gesetze erlassen

Der Arbeitsplatz der Huren

Es gab Prostituierte, die mit anderen Prostituierten gemeinsam in einem speziell dafür gemieteten Haus lebten. Andere Huren mieteten sich ein Zimmer oder eine Kammer bei Hausbesitzern. Hier vermutet man, dass die Huren mit dem Hausbesitzer als Gegenleistung sexuelle Handlungen ausführten. Wiederum andere lebten bei ihren Hausbesitzern und gingen von dort ihrer Tätigkeit nach.

Hier ist es schwierig zu unterscheiden, ob es eine Prostituierte Frau war oder eine nicht gewerblich sexuell aktive Frau, die den Wohnort beim Hausbesitzer hatte. Denn die Gerichtsakten hatten, genau wie die Bevölkerung, ein Problem bei der Definition der Prostitution.

Auf dem Land waren die Dörfer meist nicht groß genug, um Bordelle unterhalten zu können. Die Huren zogen dann in die Stadt oder versuchten, auf dem Dorf meist ein oder zwei edle Spender zu finden, da die Auswahl doch sehr beschränkt war. Hier kommen dann wieder Frauen vor, die nicht als Prostituierte galten, aber dennoch regelmäßg wechselnde Geschlechtspartner hatten – nur eben ohne Bezahlung.

Die Funktion der Prostitution für das öffentliche Leben

Huren als Ventil der Männer

Wie wir nun vermuten würden, erfüllten Huren für die Öffentlichkeit den Zweck, notgeile Männer zu befriedigen, so dass sie sich nicht an ehrbaren Jungfrauen vergriffen. Der gleichen Ansicht waren auch die Zeitgenossen aus dem Mittelalter, obwohl die Kirche Prostitution scharf verurteilte. Dazu schrieb ein Geschichtsschreiber eine harte Metapher: „Eine Hure bedeutet für die Welt das, was die Bilge eines Schiffes oder die Kloake eines Palastes ist: Wenn du auf sie verzichtest, erfüllt sich der Palast mit Gestank.“

Die Prostituierten wurden also von der Öffentlichkeit zwar nicht respektvoll behandelt, dafür aber wurde ihre Wichtigkeit für die städtische Gemeinschaft erkannt. Genauer gesagt waren es vor allem die Geistlichkeit und die Obrigkeit, die die Prostituierten als „gefallene Mädchen“ ansahen. Die Bevölkerung, zumindest dort wo man der Meinungwar, dass Geschlechtsverkehr mit unverheirateten Frauen in Ordnung war, sah Prostitution als alltägliche Dienstleistung von Huren an.

Kontakt zu „anständigen“ Frauen

Auch städtische Frauen hatten Kontakt mit Huren, wenn es um Mitteilung von Neuigkeiten oder einfach die Verbreitung von Klatsch ging. Auch hatten Huren mit ihrer besonderen Erfahrung den „normalen“ Frauen einiges voraus, denn Sexualität war fast überall ein verschwiegenes Thema. So gibt es einen Beleg dafür, dass eine Prostituierten einer reichen Witwe den Rat gab, sich nicht auf die Hochzeit mit einem Mann einzulassen, da dieser Probleme mit seiner Standhaftigkeit hatte und ihr in der Ehe nicht ausreichen Lust bereiten könne. Dieser Mann verklagte dann die Hure, weil die reiche Witwe ihn dann nicht mehr heiraten wollte.

Huren als Sachverständige vor Gericht

Noch eine beachtliche Funktion erfüllten Prostituierte. Wenn ein Mann impotent war, also sein Glied nicht hart wurde, so war die Ehe mit einer Frau ungültig. War der Mann aber nur bei seiner Frau impotent, so war die Ehe gültig. Wenn sich nun eine Frau beschwerte, ihr Mann wäre impotent, so wurden oft Huren als Sachverständige Frauen hinzugezogen, um direkt am Mann zu probieren, ob er wirklich impotent war. Ihr Urteil hatte dann auch erheblichen Einfluss auf die Entscheidung der Richter.

Verhütung bei Prostituierten

Empfängnisverhütung war unter Frauen ein Thema

Gummikondome waren unbekannt, deshalb fiel die Aufgabe der Empfängnisverhütung den Frauen zu. Es gab unverheiratete Frauen, die sich mit diesem Thema beschäftigten, um nicht schwanger zu werden. Oft waren diese Frauen Mägde, die durch ihren Herrn zu sexuellen Handlungen genötigt wurden. Da die wenigsten Frauen in Büchern etwas über Empfängnisverhütung lesen konnten, auch nicht die ungebildeten Prostituierten, mussten sich die Kenntnisse darüber über Mundpropaganda verbreiten. Diese Kenntnisse blieben dann aber auch bei den Frauen, die Männer erfuhren von alledem nichts.

Eine Theorie der Männer des Mittelalters, warum Mägde oder Prostituierte seltener schwanger wurden war, dass die Gebärmutter durch den vermehrten Samen bei häufigem Geschlechtsverkehr zu glitschig wurde und der Samen sich somit dort nicht festhalten könne.

Es kam auch vor, dass damals mit Tierdärmen verhütet wurde. Dafür wurden oft Schafs- oder Schweinedärme benutzt. Die Därme wurden herausgenommen und gereinigt, bevor sie benutzt wurden. Das kann man sich bspw. wo vorstellen: Wenn wir heute ein Stück Leberwurst im Naturdarm holen, sehen wir, dass diese „Haut“ ziemlich dünn sein kann, so dass der Mann beim Sex sogar noch etwas fühlen konnte. Auch die Blase eines Tiers bietet einen dehnbaren, dichten Übersatz. Außerdem gab es noch die Methode, dem Sex einfach aus dem Weg zu gehen und nicht daran zu denken.

Weitere Verhütungsmethoden waren das Ausspülen nach dem Geschlechtsverkehr mit Pflanzenextrakten (auch Absuden – Pflanzenstoffe werden aus den Pflanzen rausgekocht), die als besonders reinigend oder abtötend angesehen wurden. Dann gab (gibt) es noch die nicht ganz zuverlässige Methode, nur vor oder während des Eisprungs Sex zu praktizieren. Ein weiterer Hinweis spricht von Schwämmen, die in Essig getaucht und dann eingeführt wurden, bevor man Sex hatte. Das dürfte jedoch der empfindlichen Schleimhaut des weiblichen Geschlechtsorgans erheblichen Schaden zugefügt haben.

Warum Prostituierte seltener schwanger wurden

Warum hatten Prostituierte tatsächlich weniger Schwangerschaften? Man geht davon aus, dass Prostituierte häufiger Geschlechtskrankheiten hatten, als „anständige“ Frauen und dadurch unfruchtbar wurden.

Dazu kommt noch das Wissen, das weitergegeben wurde wie z. B. der Koitus interruptus (Der Mann zieht sein Glied vor dem Samenerguss aus der Vagina heraus) oder Sexualpraktiken, bei denen der Mann nicht in die Vagina der Frau eindrang. Welche sexuellen Praktiken es noch gibt, um einen Mann zu befriedigen bleibt der Fantasie des Lesers überlassen.

Wenn es aber zu einer Schwangerschaft kam, so wussten manche Frauen, dass durch bestimmte Kräuter der Fötus getötet und durch den Körper abgestoßen wird. Diese äußerst schmerzhafte und gefährliche Erfahrung kam vor allem dann zur Anwendung, wenn die Frau erhebliche Angst vor den Folgen hatte, ein Kind zu gebären. Denn eine unverheiratete Frau mit Kind war eine Sünderin – selbst dann, wenn sie von ihrem Herrn vergewaltigt wurde. Aber die Ächtung durch die Gesellschaft war damals brutal.

Quelle

  • Karras, Ruth Mazo: Sexualität im Mittelalter. S. 217ff. Artemis & Winkler Verlag. Düsseldorf, 2006.

2 Kommentare:

  1. herrlittelmann

    War tatsächlich auch mein erster Gedanke. Gilt übrigens als eine der sichersten Verhütungsmethoden, ganz im Gegensatz zum coitus interruptus. ;)

  2. Korrektur: Verhütung vor/während der Periodenblutung oder nicht am Eisprung

    „Dann gab (gibt) es noch die nicht ganz zuverlässige Methode, nur vor oder während des Eisprungs Sex zu praktizieren.“
    -> Tatsächlich ist das so formuliert quasi die sicherste Methode, um schwanger zu werden und nennen wir heutzutage ‚Geschlechtsverkehr am Termin‘.
    => Vermutlich fehlt in dem o.g. Zitat einfach das Wörtchen ’nicht‘ als ’nicht vor oder während des Eisprungs Sex zu praktizieren‘?
    => Oder es ist gemeint: ’nur vor oder während der Periodenblutung Sex zu praktizieren‘?
    = Das wären dann die nicht ganz zuverlässigen, aber sinnvollen Methoden bei Nichtverfügbarkeit anderer Schutzmaßnahmemöglichkeiten.

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