Hungersnöte im Mittelalter

Hungersnöte

Im Angesicht der vielbekannten Feste und Schlemmereien könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Menschen im Hochmittelalter nicht unter Versorgungsproblemen litten. Doch diese Vorstellung des Mittelalters erweist sich als völlig falsch. Verheerende Hungersnöte schwächten die Bevölkerung und führten zu Krankheit und Tod.


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Hungersnöte und höhere Mächte

Im Mittelalter sahen die Menschen in einer Hungersnot ein direktes Eingreifen Gottes, welches eine Strafe für die Sünden der Menschen darstellen sollte. Es konnte aber auch sein, dass nicht Gott, sondern böse Mächte für eine Hungersnot verantwortlich waren. Auch die Sünde eines Einzelnen konnte zu einer allgemeinen Notlage führen. Der übernatürliche Ursprung einer Hungersnot zeigte sich damals zufolge aber nicht nur in der Katastrophe des Hungers selbst, sondern auch indem was ihr voraus ging. Die Menschen glaubten an eine Warnung vor dem Unglück, damit sie Buße tun konnten und der Tod sie somit nicht unvorbereitet überraschte. Fast jede Hungersnot wurde also dem Glauben der damaligen Menschen zufolge, durch eine Himmelserscheinung eingeleitet. Kometen, Mondfinsternisse, Sonnenfinsternisse und Nordlichter waren alles Indizien für eine bevorstehende Hungersnot oder eine andere Katastrophe wie Krankheiten oder Überschwemmungen.

Naturkatastrophen als Grund für Hungersnöte

Der tatsächliche Grund für die Entstehung einer Hungersnot lässt sich aber meistens auf eine Missernte zurückführen. Ein Hagelschauer, langer schneereicher Winter oder eine Überschwemmung führten schnell zu einer ungenügenden Ernte und somit zu erheblichem Getreidemangel. Die Bauern lebten vor allem von dem, was auf dem eigenen Feld angebaut wurde. Man lebte also sozusagen von der Hand in den Mund und war nicht daran interessiert Überschüsse zu erzielen, welche bei einem Verkauf sowieso kaum Geld eingebracht hätten. Für Zeiten des Notstandes besaß man also keine Lebensmittelüberschüsse oder Geld, mit dem man hätte Nahrung kaufen können.

Wesentlich sicherer und besser waren dahingegen große Grundherrschaften, reiche Adlige und insbesondere Klöster gestellt. Sie wurden durch Unwetter und die daraus folgenden Missernten nicht so schwer getroffen wie beispielsweise die einzelnen Bauern. Große Länderreihen und Geld ermöglichten ihnen, die Auswirkungen einer Hungersnot so gering wie möglich zu halten. Auch konnten Ernährungsengpässe in einer bestimmten Region durch Erträge in anderen Gebieten ausgeglichen werden. Der durch schlechte Ernten hervorgerufene Getreidemangel führte meist zu einer schlagartigen Erhöhung der Getreidepreise. Viele Bauern konnten diese hohen Preise nicht bezahlen und waren somit auch nicht mehr imstande, ihre Familie mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Die Folgen waren Krankheit und Tod.

Weitere Gründe

Aber nicht nur Missernten trugen zu einer Hungersnot bei. Auch andere Ursachen, wie Viehseuchen und Kriege wirkten bei der Entstehung einer Hungersnot mit. Viehseuchen schwächten den Tierbestand der Bevölkerung erheblich und gefährdeten so eine weitere wichtige Nahrungsquelle. Jedoch nicht nur Fleischmangel war die Folge einer Viehseuche, sondern auch der Verlust von Milch bei einer beispielsweise verheerenden Krankheit unter Schafen.Außerdem konnten auch Kriege der Grund für die Entstehung einer Hungersnot sein. Häufig wurden ganze Landesteile verwüstet und somit Äcker und Ernten zerstört. Auch Plünderungen während des Krieges schwächten die Bevölkerung. Zur Entlohnung ihrer Anstrengungen war es den Kriegern meistens erlaubt, ganze Städte zu plündern.

Folgen einer Hungersnot

Auf dem Land. Letztendlich war der Grund für die Entstehung einer Hungersnot weniger von Bedeutung als die Tatsache, dass jede Hungersnot eine tiefgreifende Wirkung auf das Leben der Bevölkerung ausübte. Durch den Nahrungsmangel verschwand für die Menschen „die Sicherheit für den Bestand der früheren Lebenshaltung des Einzelnen“. Die Folge hiervon war meistens eine Auflösung jeder bestehenden Ordnung. Bauern verließen ihre Höfe, verzweifelte Menschen durchstreiften in Scharen das ganze Land, ganze Dörfer standen leer. Die Hungersnot zwang die Bauern also dazu, ihre Heimat, ihr Haus und ihren Hof zurückzulassen um anderswo Rettung und Hilfe vor dem Hungertod zu finden. Es bildeten sich teilweise ganze Bettelzüge, die große Entfernungen zurücklegten um bei Adligen oder reichen Klöstern Hilfe zu erbitten. Die Flucht vor dem Hunger fand meist ohne Ziel und Plan statt. Nur die Furcht vor dem Tod trieb die Menschen fort von ihrer Heimat und Existenz.

In der Stadt. Aber auch die städtische Bevölkerung blieb vor einer Hungersnot nicht verschont. Aufgrund der hohen Getreidepreise mussten viele Stadtbewohner sogar ihre Häuser verkaufen um Geld für Lebensmittel zu bekommen. Teilweise wurde den Armen auch erlaubt, zum Betteln die Häuser der wohlhabenden Bürger zu betreten. Die Folgen dieser Bestimmung waren oftmals Unruhen, da die Hungernden nicht nur alle greifbaren Lebensmittel an sich brachten, sondern auch sonstigen Hausrat der Stadtbevölkerung entwendeten, um ihn zu verkaufen oder gegen Essbares zu tauschen. Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen, waren unter anderem auch vor allem Bäckerläden stark von Plünderungen bedroht. So war es machen Bäckern nur möglich ihre Backware den Käufern aus dem Fenster zu reichen, da sonst ihr gesamtes Hab und Gut in Gefahr gewesen wäre.

Im Kloster. In der Notzeit konnte also nur bestehen wer unmittelbar größere Lebensmittelvorräte besaß, wie beispielsweise große Grundherren. Auch Bischofskirchen und Klöster besaßen meist solche Grundherrschaften und so war es ihnen möglich, in Zeiten der Not, neben sich selbst auch zahlreichen Armen zu helfen. Doch auch zu dieser Zeit gab es Klöster, die es nicht schafften, solche Krisenzeiten unbeschadet zu überstehen. „Missmanagement“ führte bei einigen Klöstern dazu, dass die Mönche am Ende all ihre Vorräte unter den Hungernden verteilten und selbst mittellos dastanden. So mussten Mönche zeitweise in reichere Klöster zur Versorgung übersiedeln. Dennoch war es um die Klöster nie so schlecht bestellt wie um die hungernden Massen. Ungeachtet des allgegenwärtigen Hungers gab es noch genügend Mönche, die sich trotz ausreichender Nahrung über die Herabsetzung der Lebenshaltung beklagten. Neben Mangel an Wein, musste in Notjahren auch mit Schwarzbrot und Gerste vorlieb genommen werden, welche eigentlich den Armen und unteren Schichten „vorbehalten“ waren.

Nahrung während einer Hungersnot

Diese waren in Notzeiten gezwungen zu allem zu greifen was irgendwie essbar erschien, um dem Hunger zu entkommen und zu überleben. Es wurden Hunde, Katzen, Esel und Pferde gegessen, sowie Wölfe, Frösche und Schlangen. Auch das Fleisch bereits gestorbener Tiere wurde nicht verschmäht. Selbst Wurzeln, Kräuter, Gras, Eicheln, Nussschalen, Ziegelbruchstücke, Schafsinnereien und Baumrinden aß man gegen den Hunger. (Manche Menschen zwangen sich sogar hin und wieder ein Stück Baumrinde zu essen, auch wenn keine Nahrungsmittelknappheit herrschte, da ihnen bewusst war, dass ihr Magen dies nicht würde verdauen können, wenn sie bei der nächsten Hungersnot wieder darauf angewiesen waren).Man hielt es zudem für selbstverständlich, dass zwischen den sozialen Schichten Unterschiede in den Fähigkeiten bestanden, verschiedene Nahrungsmittel zu verdauen. Es wurde davon ausgegangen, „dass die Armen in Notzeiten von derberer Kost leben konnten“. In den oberen Schichten hingegen wurde schon das Essen von Haferbrot als erstes Zeichen der Not gesehen.

Kannibalismus

Eine der schlimmsten Erscheinungen welche die Hungersnot mit sich brachte war aber die „Menschenfresserei“. Um dem Hungertod zu entgehen, wurde vereinzelt das Fleisch toter Menschen gegessen. Auch sind Fälle bekannt, in denen versucht wurde gekochtes Menschenfleisch auf einem Markt zu verkaufen, aber dies waren Einzelfälle.

Während und nach einer Hungersnot war ein Anstieg der Sterblichkeitsrate nicht allein auf das Verhungern, also dem Mangel an Nahrungsmitteln, zurückzuführen, sondern auch auf die verstärkte Anfälligkeit für Krankheiten, die die einseitige und unzureichende Ernährung mit sich brachte. Daher kann man sagen, dass für die große Anzahl an Todesopfer nicht nur der Hunger alleine, sondern auch die verschiedenen Krankheiten verantwortlich waren.

Heiliges Feuer

Eine weitere Begleiterscheinung von Hungersnöten war das sogenannte „Heilige Feuer“. Diese Krankheit führte zu regelrechten Massenerkrankungen mit tödlichem Verlauf, obwohl keine Infektionsgefahr durch bereits Erkrankte bestand. Vielmehr waren die Massenerkrankungen Resultate von Vergiftungen. Diese wurden durch den Verzehr von Mutterkorn, „der Dauerform eines Schlauchpilzes“, der den Roggen befällt, ausgelöst. Besonders die unteren Schichten ernährten sich im Gegensatz zu den reichen oberen Schichten, von Roggen. Und so war die Häufung der Krankheitsfälle meist auf den armen Teil der Bevölkerung beschränkt. Hunger und die Gefahr der Erkrankung standen somit in unmittelbarem Zusammenhang, da die Witterungsverhältnisse, welche sich ungünstig auf das Getreidewachstum und somit auf die Ernte auswirkten, förderlich für ein vermehrtes Auftreten der Mutterkornpilze waren. Deshalb gelangten gerade in Zeiten des Hungers und der Not große Mengen an Mutterkorn in das Mehl. Das Heilige Feuer, heute auch unter dem Namen Ergotismus bekannt, erhielt durch die brennenden Schmerzen die den Erkrankten befielen seinen Namen.

Schluss

Abschließend zu diesem Kapitel kann man also sagen, dass die unteren Schichten wesentlich stärker unter einer Hungersnot zu leiden hatten als die oberen Schichten. Sie besaßen nicht nur weniger Nahrungsmittel, sondern mussten auch gegen Krankheiten ankämpfen, um in Zeiten des Hungers zu überleben. Die Angst vor Nahrungsmangel war in den unteren Schichten immer vorhanden.