Hildegard von Bingen

Im Mittelalter gab es kaum oder nur wenige Spezialisten. Viel mehr gab es Universalgelehrte, die nicht alles über ein bestimmtes Thema oder Gebiet wussten, sondern von jedem Gebiet ein bisschen. Sie hatten in keinem Bereich detailliertes Wissen, sondern nur Basiswissen in vielen Teilbereichen. Und eine der bekanntesten Universalgelehrten im Mittelalter war Hildegard von Bingen.

Die Person

Hildegard von Bingen oder auch die Heilige Hildegard wurde 1098 geboren. Bis heute ist nicht belegt wo Hildegard von Bingen tatsächlich geboren wurde. Es gibt viele Annahmen, doch keine Belege. Sie war Benediktinerin und Lehrerin in der römisch-katholischen Kirche.

Mit 8 Jahren gaben ihre Eltern sie an Jutta von Sponheim, die sie religiös erziehen sollte. Beide kamen ins Benediktiner Kloster Disibodenberg, wo beide auch ihre Profess ablegten. Nachdem Jutta verstorben war, kam es zwischen Hildegard und Abt Kuno von Disibodenberg immer wieder zu Auseinandersetzungen. Denn Hildegard war eine Rebellin und Revolutionärin. Sie hielt nicht viel von den Regeln des Mönchtums und lockerte sie in ihrer Gemeinschaft.

Sie sprach sich öffentlich energisch gegen den Verfall der Sitten des Klerus aus und forderte eine Läuterung der Kirche – und das schon fast 400 Jahre vor Martin Luther. Auf ihren Reisen predigte sie wie eine Prophetin die Rache des Himmels, den Untergang der Erde durch Feuersbrünste und die herrliche Zeit, die danach kommen sollte.

Die Visionen

Schon in jungen Jahren begann Hildegard zu schreiben. Ihrer eigenen Aussagen nach hatte Hildegard Visionen von Gott, die sie zu ihren Schriften inspirierten. Sie selbst schien ängstlich deswegen zu sein und suchte Rat bei Bernhard von Clairvaux, ein Abt, Kreizprediger und Mystiker. Er selbst stand der ganzen Sache ebenfalls skeptisch gegenüber, ermutigte Hildegard aber und bestärkte sie darin diese göttliche Gabe gnädig anzunehmen.

Papst Eugen erfuhr durch Bernhard von Clairvaux von Hildegard von Bingen und erkannte auf einer Kirchenversammlung im Jahre 1147 ihre göttliche Berufung an. Auch die folgenden Päpste und die Kaiser Konrad III. sowie Friedrich I. hatten großes Ansehen für die Heilige Hildegard.

Hildegard wurde ebenfalls zu einer Mystikerin, deren Schriften sich mit Medizin, Religion, Musik und Ethik. Sie galt als Lebensberaterin und Beistand für jede Situation.

Die Heilige Hildegard schrieb die Erfahrungen über ihre Visionen nieder. Sie selbst war dem Lateinischen nicht mächtig, deshalb ließ sie ihre Schriften korrigieren. Ihre detaillierten Schilderungen wurden oft durch sehr bunte Miniaturen bildlich dargestellt. 1147 erhielt Hildegard dann die Erlaubnis ihre Werke zu veröffentlich. Ihr erstes Werk war „Wisse die Wege des Herrn“ (Liber Scivias Domini).

Hildegard von Bingen beschrieb ihre Visionen ganz genau. Sie beschrieb, dass sie sie zu jeder Tages- und Nachtzeit ereilten, dass sie sehr Kräfte zerrend waren und nicht immer eindeutig zu verstehen waren. Manchmal dauerte es Tage, bis sie den Sinn entdeckte. Außerdem kamen diese Visionen immer mit einem spektakulären Lichtspiel einher; so genannte Auren.

Anfangs weigerte Hildegard sich ihre Visionen niederzuschreiben, doch dann hörte sie erneut diese Stimme – die Stimme Gottes – die ihr sagte, dass sie ihre Wissen aufschreiben und verbreiten sollte.

Wissenschaftler haben heute verschiedene Theorien über diese Visionen. So heißt es, dass es Auswirkungen starker Migräne waren. Aber auch Augenkrankheiten, psychische Krankheiten oder Tumore werden als mögliche Ursache genannt.

Kloster Rupertsberg

Schon viele Jahre zu vor wollte Hildegard mit ihrer Gemeinschaft ein eigenes Kloster gründen, doch erst zwischen 1147 und 1150 gelang es ihr schließlich. Und wieder gab es viele Auseinandersetzungen, die der Heiligen den Erfolg mieden und sich selbst an ihrem Erfolg bereichern wollten. Doch Hildegard von Bingen ließ sich nicht beirren und immer mehr Nonnen schlossen sich ihr an. 1165 erwarb Hildegard sogar ein weiteres Gebäude und eröffnete ein Tochterkloster. Während in Rupertsberg nur Adelige beitreten durften, war das Tochterkloser für alle geöffnet.

Hildegards Wirkungskreis

Hildegard von Bingen war nur eine von vielen Universalgelehrten ihrer Zeit. Doch ihre Denkansätze und Ideen unterschieden sich deutlich von anderen. Sie ging neue Wege, zeigte den Menschen andere Denk- und Sichtweisen und war mutig und offen für Neues. Sie gilt als bedeutendste Frau im Mittelalter, die den Weg zur Aufklärung ebnete.

Anders als andere war Hildegard nicht höher gestellt. Während andere das Volk nur über Bücher erreichten, war sie eine Frau des Volkes, die öffentlich predigte. Sie bot den Menschen neue Auffassungen an, neue Lebenswege und Lebensweisen. Die Menschen glaubten ihr und ließen sich von ihr inspirieren, weil sie nicht nur in der Theorie sprach, wie ihre Kollegen. Hildegard von Bingen begründete ihre Ansichten mit ihren Visionen und genau das brauchten die Menschen – ein Wegweiser Gottes.

Aber auch in der Medizin und Biologie war Hildegard ein Paradebeispiel für Neues. Sie revolutionierte die Kräuter- und Pflanzenkunde. Noch heute sind ihre Erkenntnisse Grundlage für viele pflanzliche Medikamente und Behandlungen. Im 20. Jahrhundert kam sogar der Begriff der Hildegard Medizin auf. Viele Heilmittel, besonders für den heimischen Gebrauch, werden heute noch nach Anleitung von Hildegard hergestellt.

Hildegard entwickelte keine neuen Medikamente oder Heilverfahren. Sie war lediglich offen genug, um aus allen Kulturen und Bräuchen die Verfahren zusammen zu bringen und so alles zu optimieren. Sie war die erste deutsche Ärztin, die auch Öle, Edelsteine, Metalle und andere Substanzen in die Medizin einbrachte.

Doch Hildegard von Bingen war auch künstlerisch begabt. Sie war neben ihren religiösen, politischen und medizinischen Tätigkeiten auch Dichterin und Musikerin. Sie machte geistliche Lieder mit Gesängen und ganz besonderen Melodien. Ihre musikalischen Werke waren ein weiterer Ausdruck ihrer Visionen und ihrer damit einher gehenden Gefühlswelt.

Tod und Nachleben

Hildegard von Bingen starb am 17. September 1179, im Alter von etwa 82 Jahren. Ihre Reliquien liegen in der Pfarrkirche von Eibingen, wo sich das Tochterkloster befand. Dieses wurde 1803 aufgelöst und teilweise zerstört. Die damalige Klosterkirche wurde zur Pfarrkirche St. Hildegard und dient heute als Wallfahrtsort.

Hildegard von Bingen war eine Frau des Volkes, die immer in Kontakt mit ihrer Gemeinschaft stand und für sie da war. Eine Frau, die die Menschen achtete und unterstützte. Und zudem noch in direktem Kontakt zu Gott zu stehen schien. Dadurch genoss sie beim Volk hohes Ansehen und wurde schon zu Lebzeiten als Heilige angesehen.

Die tatsächliche Heiligsprechung dauerte aber noch. Bereits im 13. Jahrhundert begann Papst Gregor IX. ein Heiligsprechungsverfahren. Es gibt Urkunden, die diese Untersuchungen als positiv belegen und worin sogar Wunder der Hildegard erwähnt werden. Und dennoch kommt es nicht zu einem offiziellen Ergebnis. Erst Papst Benedikt XVI. sprach Hildegard am 10. Mai 2012 heilig. Am 7. Oktober 2012 ernannte man sie offiziell zur Kirchenlehrerin.

Die Verehrung der Hildegard von Bingen ist weltweit sehr hoch. So ist z. B. ihr Todesdatum, der 17. September, in der katholischen Kirche, in den Heiligen- und Namenskalendern der anglikanischen Kirche, der evangelischen Kirche in Deutschland und der evangelisch-lutherischen Kirche in Amerika der offizielle Gedenktag der Hildegard von Bingen. In manchen Diözesen, so z. B. in Eibingen, wo die Reliquien der Heiligen liegen, gibt es sogar ein Fest am Gedenktag – das so genannte Hildegard Fest.

Noch heute ist die Wirkung von Hildegard in vielen Bereichen zu spüren. Neben Rezepten, Mischungen, schriftliche Weisheiten etc. die uns von Hildegard überliefert wurden, bedienen sich auch viele an ihrer Berühmtheit und widmen der Heiligen Hildegard Musikstücke, Filme und Theateraufführungen.

Auch die Forschung und Wissenschaft gewinnt immer mehr Interesse an Hildegard. Sie beschäftigen sich mit ihren Schriften und der Wirkung der Frau. Auch das Interesse an Nonnenklöster wächst durch Hildegard ständig an. Und immer wieder erlangen Wissenschaftler und Forscher neue Erkenntnisse, die uns auch in heutiger Zeit noch nützlich sind.

Quellen:

  • Pierer’s Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 374.
  • Diers, Michaela: Hildegard von Bingen, dtv-Verlag, München 2005, S. 7 – 46
  • Riedel, Ingrid: Hildegard von Bingen : Prophetin der kosmischen Weisheit, Kreuz Verlag, Stuttgart 1994, S. 11 – 68, 117 – 184
  • Koschyk, Heike: Hildegard von Bingen. Ein Leben im Licht: Biographie, Aufbau Verlag, Berlin 2009, S. 9 – 71, 102 – 156, 199 – 223

Ein Kommentar:

  1. Nici Oberbach

    Erstes Kapitel. Erster Absatz. Letztes Wort.
    Müsste da nicht Kirche stehen und nicht „Kirsche“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert