Judentum im Mittelalter

Die ersten Juden in Europa

Vereinzelt findet man Juden wohl schon seit der Antike und urkundlich erwähnt kurz nach der Völkerwanderung in Europa. Aber bevor Judäa von den Römern unter Anführung des Pompejus erobert wurde, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Juden bis zu entfernten Völkern verbreitet hätten. Ihr Nationalgefühl und ihre Gesetze hielten sie davon ab, sich mit den abendländischen Völkern zu verbinden. Erst seit sie von den Römern unterworfen wurden, ließen sich Vermischungen mit denselben nicht mehr vermeiden und als ihre Hauptstadt eingenommen und zerstört war, zwang sie die Notwendigkeit, sich ein anderes Heimatland zu suchen. Deshalb kann man erst seit dieser Epoche erwarten, Juden in größerer Zahl in anderen Ländern zu finden.

Es dauerte also noch lange, bis sie sich so zahlreich in Deutschland niederließen, um die Aufmerksamkeit der Gesetzgeber oder polizeilicher Maßnahmen auf sich zu ziehen und wir damit Urkunden über Juden in Deutschland finden. Wohingegen sie in ihren Nachbarländern wohl schon früher zu finden waren. Die großen Handelshäfen des Mittelmeeres wie Cádiz, Karthagena und Marseille standen wohl schon damals mit Syrien in Handelsverkehr und boten den Juden einen geeigneten Platz, sich dort niederzulassen.

Inhalt

Die Juden während und nach der Völkerwanderungszeit

In Italien

Im 5. Jahrhundert finden wir schon Urkunden über Juden in Narbonne. Sie betrauerten dort den Tod des heiligen Hilarius, Bischofs von Arles, der ihnen besonders freundlich gesinnt gewesen war. Auch in Spanien finden wir sie erst im 5. Jahrhundert zahlreich vor. Anders in Italien, wo sie sich seit der Gründung des römischen Kaiserreichs niedergelassen hatten. Sie waren wohl ziemlich verachtet im alten Rom und durften nur in den niedrigsten Zweigen der Industrie tätig sein. Aus den Erzählungen des Tacitus kann man wohl diese Stimmung gegen die Juden entnehmen. Er betrachtete sie als ein Volk, das alles, was bei anderen Völkern heilig ist, verachte und sich seinerseits erlaubte, was bei anderen als unerlaubt galt; als ein Volk, das zwar den Seinigen Treue und Liebe beweise, aber gegen das ganze übrige Menschengeschlecht von Hass erfüllt war; das den Tod verachtete, einen einzigen Gott anbetete und sich weigerte, den Königen und Kaisern zu huldigen. Bei der großen Anzahl der Fehler der Juden erwähnt Tacitus jedoch keine Habgier. Die Juden machten sich bei den Römern also noch nicht durch Wucher verhasst. Sie mussten schon seit diesen Zeiten unter Bedrückungen und Verboten der verschiedenen Kaiser leiden.

Die Goten, nachdem sie Italien erobert hatten, blieben dem von den letzten römischen Kaisern ausgeübten Toleranzsystem treu. Theodorich erhielt die Privilegien der Juden und gab Erlaubnis zur Wiederherstellung der Synagoge zu Genua, die durch die Plünderung zerstört worden war. Aus der Geschichte seiner Belagerung sieht man, dass die Juden unter Theodorich nicht nur in Genua und Rom zahlreich vorhanden waren, sondern auch in Mailand und Neapel, wo sie später mit dem Heer des Belisar gegen die Goten kämpften.

In Spanien

In Spanien hatten die Juden unter den Goten noch mehr zu leiden, als unter Justinian. Die Verachtung und Unterdrückung gegen sie in den spanischen Gesetzen der damaligen Zeit findet keine Steigerung mehr. Sie wurden beschimpft und gezwungen, ihre Riten zu unterlassen, sich zum Christentum zu bekehren, Schweinefleisch zu essen usw. Unter diesen Umständen verbanden sich die spanischen Juden mit den Juden in Afrika und verursachten einen Aufstand, welcher wiederum mit weiterer Unterdrückung beantwortet wurde. Die Aufständischen wurden versklavt und ihre Kinder in christlichen Grundsätzen erzogen. Bald darauf folgte die große Revolution, die Spanien unter das Szepter der Araber stellte und die Goten vertrieb. Die Juden wurden zu sehr unterdrückt, um nicht die Gelegenheit wahrzunehmen, sich zu rächen und hatten wohl auch einen Anteil an der Eroberung Spaniens durch die Araber. In Toledo ließen sie, wie die christlichen Geschichtsschreiber melden, am Palmsonntag die Araber in die Stadt, während die Einwohner in Prozession zu einer außerhalb der Stadt liegenden Kirchen wallten. Sie vereinigten sich mit den Arabern und töteten die Christen, als diese in ihre Häuser zurückkehren wollten. Unter den Arabern ging es den Juden in Spanien bedeutend besser. Aber auch die Lage der Juden im nördlichen Spanien, wo noch die Goten saßen, besserte sich, das die Goten ihre gesamte Aufmerksamkeit in den Krieg mit den Arabern steckten.

Man darf aber nicht glauben, dass die Juden im Allgemeinen von den Muslimen besonders begünstigt wurden. Anfangs hatte sich der Islam den Juden genau so feindlich gezeigt, wie den Christen. Mohammed bekämpfte sie. Der Koran nennt sie das Volk des Buches, wegen ihrer Anhänglichkeit an die Bibel, und stellt sie als dem Zorn und der Rache Gottes verfallen dar, weil sie einst die Propheten getötet hätten. Er häuft Verachtung auf ihr Elend und die Nachfolger des Propheten haben seine Gesinnungen gegen sie geerbt. Aber diese Verachtung war zumindes still und kalt und offenbarte sich nur höchst selten durch Exzesse des Volkes gegen die Juden, die in den christlichen Staaten so häufig waren.

In Frankreich

In Frankreich waren die merowingischen Könige und der Klerus nicht besser für die hebräischen Flüchtlinge gestimmt, als die westgotischen Könige und die Konzilien in Spanien. Auch hier beschäftigte sich eine Reihe von Konzilien damit, die Juden von ihren alten Gebräuchen abzubringen und das Judentum zu unterdrücken. Aber es kam niemals zu einer Einheit der Maßregeln gegen die Juden oder gar einer Vollziehung der strengen Dekrete, weil Frankreich nicht nur einem einzigen Herrn gehorchte. Das war, was die Israeliten in Frankreich rettete. So genossen sie am Anfang des 6. Jahrhunderts das Bürgerrecht zu Arles, das den Westgoten gehörte, und nahmen damals an der Verteidigung dieser Stadt gegen die Franken und Burgunder teil. Obwohl die Westgoten im Allgemeinen die Juden sehr schlecht behandelten, zeigten sie doch gegen sie in Septimanien mehr Mäßigung, wahrscheinlich, weil die westgotische Herrschaft in dieser gallischen Provinz nicht sehr gefestigt war.

Den Juden warf man vor, den Aussatz nach Frankreich gebracht zu haben, was noch dazu beitrug, die Christen von ihnen zu entfernen. Seit dem 6. Jahrhundert schloss man die Aussätzigen in isolierten Häusern ein und stellte sie unter die Aufsicht der Bischöfe. Als König Guntram von Burgund in Orléans einzog, begrüßten ihn die dort ansässigen Juden mit einer hebräischen Rede. Daraus scheint hervorzugehen, dass sie den anderen Bürgern gleich gestellt waren. Durch die Angabe verschiedener Orte, an denen die Konzilien gehalten wurden und wo der Klerus Verfügungen gegen die Israeliten erließ, kann man sehen, dass sie in ganz Frankreich verbreitet waren.

Die Juden seit dem 8. Jahrhundert

Unter Karl dem Großen

Karl der Große erließ nicht die geringste Verfügung gegen die Juden. Und der Klerus wütete während Karls Regierung nicht so willkürlich gegen sie, wie unter den Merowingern. So sehr hielt die Hand des mächtigen Kaisers die Untertanen in der Pflicht und verhinderte Exzesse. So kam beispielsweise eine Klage vor Karl den Großen, dass Geistliche geweihte Gefäße an Juden und andere Kaufleute verkauft hatten. Der Kaiser beschränkte sich darauf, Wachsamkeit zu empfehlen und trug den Bischöfen und Äbten auf, den Schatz ihrer Kirchen zu untersuchen. Andere, parteiischere Herrscher, hätten vllt. eine Bestrafung der Juden befohlen. So finden sich noch weitere Beispiele von Karls Besonnenheit gegenüber den Juden. So ließ er einen Schüler seines arabischen Arztes eine Art Handbuch übersetzen, in dem die Krankheiten und ihre Heilmittel in schlechtem Griechisch und Arabisch aufgelistet waren. Dieses Kompendium wurde Tacuini genannt. Aber auch von einem Werk des Arztes Razis lieferte er eine lateinische Übersetzung. Dies zeigt, wie man durch eine verständige Regierung gute Bürger aus seinem Volk machen kann, egal, welche Unterschiede auch untereinander bestehen.

Unter Ludwig dem Frommen

Unter Ludwig dem Frommen kamen die Juden zu mehr Ansehen, als jemals zuvor. Ihnen wurde leicht kaiserliche Briefe ausgehändigt, durch die alle Autoritäten des Reiches aufgetragen wurden, sie mir ihren Waren frei ziehen zu lassen, sie auf keine Weise zu belästigen und nicht einmal einen Zoll oder andere Abgabe von ihnen zu erheben. Es war ihnen gestattet, über ihre Güter zu verfügen und nach ihren Gesetzen zu leben. In Streitfällen zwischen Christen und Juden verordnete der Kaiser, sollten sechs Schiedsrichter, drei Christen und drei Juden für einen gerechten Verlauf sorgen. Bei großen Angelegenheiten, wollte der Kaiser selbst Gericht sprechen, ohne dass Grafen oder andere Autoritäten sich einmischen konnten. Schließlich durften die Juden auch christliche Dienstleute beschäftigen und auswärts Sklaven einkaufen, um imI Inneren des Reichs damit Handel zu treiben.

In Lyon hatten die Juden den Fisch- und Weinhandel fest in der Hand und zu ihren Gunsten verlegte man den Markttag von Samstag (ihrem Sabbat) auf Sonntag. Man dachte nun nicht mehr daran, die Kanone der Konzilien durchzusetzen, die jede gesellschaftliche Beziehung zwischen Christen und „Ungläubigen“ verboten. Ein Beispiel der gewachsenen Macht der Juden: Wir haben gesehen, dass unter den merowingischen Königen eine einfache Verfügung eines Bischofs genügte, um alle Juden aus seiner Diözese zu verbannen. Jetzt dagegen, war Agobard, obwohl Bischof von Lyon und daher eines der Häupter des französischen Klerus, nicht im Stande, den Vollzug der Dekrete der Könige und der Konzilien gegen sie zu erwirken. Er verbrachte einen Teil seines Lebens damit, dies zu versuchen, scheiterte jedoch hartnäckig. Der Klerus und die Konzilienbeschlüsse vergangener Zeiten schienen ihnen nichts mehr anhaben zu können.

Unter Karl dem Kahlen

Im Jahr 840 änderten sich diese für die Juden so glücklichen Umstände, zur gleichen Zeit, als Agobard starb. Agobards Nachfolger scheint seinen Eifer gegen die Verfolgung dieses Volkes geerbt zu haben. Er bedrängte Hinkmar, Erzbischof von Rheims, die Einschränkung der Privilegien der Juden zu veranlassen und jede Berührung zwischen ihnen und Christen zu verbieten. Aus dem gleichen Schreiben sieht man auch, dass sich die Juden in die Einnehmer-Stellen gedrängt hatten, von denen sie noch unter den Merowingern ausgeschlossen waren. Die Christen beschwerten sich wie damals über die Härte, mit der die Ungläubigen die Auflagen von ihnen eintrieben.

Auf dem Konzil zu Meaux wurden die alten Verfügungen gegen die Juden erneuert. Hinkmar, der genau so gegen sie aufgebracht war, wie Agobard, war eben auf diesem Konzil auch anwesend und drängte darauf, neue Maßregeln beim Hofe Karls des Kahlen, wo er in hohem Ansehen stand, durchzusetzen. Bisher wurden die Juden unter diesem Kaiser genau so gut behandelt, wie unter seinem Vorgänger. Aber wir haben auch Kunde aus der Bevölkerung von einer jährlichen Misshandlung der Israeliten über die Ostertage durch die Christenheit, um sie für die Kreuzigung des Heilands zu strafen. In Frankreich, England, Deutschland, Italien und der Schweiz sah man sich berechtigt, die Juden bei dieser Gelegenheit zu misshandeln. Sie hatten sich zu spöttischen Taten oder sogar zu Tätlichkeiten hinreißen lassen, nachdem man vor ihren Augen Zeremonien abhielt. Dadurch wurde es ihnen an mehreren Orten verboten, sich während der Dauer der Zeremonien, also von Karfreitag bis Ostern, öffentlich sehen zu lassen. Es ging sogar so weit, dass man ihre Häuser mit Steinen bewarf, ohne dass der Klerus oder die Zivilbehörden es für nötig hielten, einzuschreiten. Auf das Steinewerfen durften die Juden ebenso mit Steinewerfen antworten und eine Chronik versichert, dass es bei dieser (Un)Sitte auf beiden Seiten etliche Verwundete gab. Erst im Jahre 1160 konnten sich die Juden von diesen Misshandlungen loskaufen.

Bis zum Ende der Karolinger

Am Ende der Regierungszeit der Karolinger war der Staat so sehr mit der Abwehr der Normanneneinfälle und der Intrigen der Machthaber beschäftigt, dass er sich kaum um die Juden kümmern konnte. Deshalb erwähnen die Geschichtsschreiber dieser Zeit auch die Juden kaum. Ludwig der Fromme räumte den Juden noch ihr Recht am Grundbesitz ein. Ein Jahrhundert später aber wurde diese kaiserliche Entscheidung nicht mehr anerkannt. Karl der Einfältige schenkte den Erzbistum Narbonne und den Kichen die Grundstücke, Weingärten, Häuser und Mühle, die den Juden gehörten und von denen sie in früheren Zeiten den Zehnten bezahlten. Man weiß nicht, warum der Kaiser die Juden enteignete, aber wahrscheinlich gab es ein Ereignis, das die Enteignung und Vertreibung der Juden veranlasste. Diese Einziehung des Eigentums scheint sich übrigens nicht über die Grenzen von Narbonne erstreckt zu haben.

Es gibt noch eine andere Urkunde, die man erwähnen sollte. Sie hat die Schenkung des Boso an seinen Sohn, König von Arles, zum Inhalt. In dieser Schenkung werden nicht die Besitzungen, sondern die Juden selbst verschenkt. Diese Art der Schenkung kommt später noch häufiger vor. Man bildete sich ein, dass Gott zur Strafe für den Tod von Jesus Christus die jüdische Nation in die Gewalt der christlichen Kirche gegeben habe, die nun die Juden bekehren wollte und dazu mal Überzeugungskraft mal Gewalt benutzte. Aber auch die Einkünfte der Juden konnte die Kirche in ihrem Bekehrungseifer etwas besänftigen.

Kaiser Otto I. überließ im Jahre 965 der Kirche von Magdeburg alle Juden dieser Stadt. Übrigens soll hier erwähnt werden, dass die Juden die Einfälle der Normannen nicht dazu benutzten, sich an den Christen zu rächen, wie damals unter den Merowingern, zumindest gibt es keine Aufzeichnungne darüber. Weiterhin wollen wir noch daran erinnern, dass die Juden unter den muslimischen Herrschern nicht so viele Unterdrückungen zu erdulden hatten und ihre Wissenschaft und Künste aufblühten seit dem 8. Jahrhundert.

Die jüdischen Frauen

Die Geschichte des Mittelalters erwähnt nur selten die jüdischen Frauen und tatsächlich waren diese Frauen zu strenger Aufsicht und Verborgenheit verdammt, die heute noch viele Frauen des Orients erdulden müssen. Sie waren verpflichtet, sich sorgfältig von Kopf bis Fuß zu bedecken und man verbot ihnen sogar, ihre Haare zu zeigen. Mehrere Rabbiner sprachen ihnen das Recht auf Unterricht ab und schlossen sie sogar vom Unterricht im göttlichen Gesetz aus. Sie behauptetn, die Frauen hätten keine andere Pflicht, als für den Haushalt zu sorgen. Sie wurden sehr jung verheiratet und gingen dann von der Gewalt des Vaters in die des Ehemanns über. So blieben sie ihr ganzes Leben unter Vormundschaft. Einige Frauen konnten sich dennoch aus dieser Unterwürfigkeit befreien und mit ihren Reizen Christen verzaubern.

So die schöne Israelitin, die das Herz Alphons IX., Königs von Kastilien, eroberte. Dieser Fürst hing mit einer solchen Leidenschaft an ihr, dass er sogar seine Regierungsgeschäfte vernachlässigte, um ihr zu gefallen. Zur gleichen Zeit aber wurde das Reich von den Muslimen bedroht und das Volk gab der Maitresse des Königs die Schuld für diese Bedrohung. Ein Aufstand in der Residenz des Fürsten, man drang in den Palast ein und tötete die schöne Jüdin.

Man darf aber nicht glauben, dass die Juden im Allgemeinen von den Muslimen besonders begünstigt wurden. Anfangs hatte sich der Islam den Juden genau so feindlich gezeigt, wie den Christen. Mohammed bekämpfte sie. Der Koran nennt sie das Volk des Buches, wegen ihrer Anhänglichkeit an die Bibel, und stellt sie als dem Zorn und der Rache Gottes verfallen dar, weil sie einst die Propheten getötet hätten. Er häuft Verachtung auf ihr Elend und die Nachfolger des Propheten haben seine Gesinnungen gegen sie geerbt. Aber diese Verachtung war zumindes still und kalt und offenbarte sich nur höchst selten durch Exzesse des Volkes gegen die Juden, die in den christlichen Staaten so häufig waren.

Die Juden seit dem Hochmittelalter

Veränderungen

Im Frühmittelalter lag der Warenhandel zum großen Teil in den Händen der Juden. Mal gab es Unterdrückungen, mal wurden sie begünstigt. Dann brachte das 12. Jahrhundert einen Umschwung zum Nachteil der Juden, die von da an schweren Verfolgungen ausgesetzt waren. Diese Verfolgungen hatten ihren Grund zum Einen in den verschärften nationalen und religiösen Gegensätzen, die damals durch die Kreuzzüge zu Tage traten. Zum Anderen kam, mit dem Emporkommen der Städte, die Reaktion des nationalen Handelsgewerbes hinzu, die in der Handelstätigkeit der Juden eine Konkurrenz sah. Daraufhin wurden die Juden immer mehr aus dem Warenhandel verdrängt, indem ihnen einfach immer mehr Verbote und Belastungen auferlegt wurden.

Wucher

Als Ersatz dafür verlagerten sie sich auf das Geldgeschäft, in dem sie so leicht Boden fassen konnten, weil das kirchliche Zinsverbot und die Strafen des kanonischen Rechts sie als Juden nicht trafen. Auf diese Weise erhielten die Juden geradezu das Privilegium der Ausbeutung einer wirtschaftlich noch wenig entwickelten Bevölkerung und machten davon dann auch Gebrauch. Sie nahmen sehr hohe Zinsen für verliehenes Geld (Wucher). Aber durch diesen von ihnen ausgeübten wirtschaftlichen Druck luden sie den Hass der Bevölkerung auf sich, der in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters zu immer wiederholten Ausbrüchen des, meist religiösen, Fanatismus führte. Grässlich waren vor allem die Judenverfolgungen in der Mitte des 14. Jahrhunderts, als die Gemüter der Menschen durch die fürchterlichen Wirkungen des schwarzen Todes verängstigt waren und fanatisierte Geißlerscharen durch die Länder zogen.

Judenverfolgungen im Hoch- und Spätmittelalter

Man glaubte damals, oder man gab vor zu glauben, die Juden hätten die Brunnen vergiftet und dadurch die Seuche hervorgerufen. Auch sonst fehlte es nicht leicht an Vorwänden zur Verfolgung der „Feinde Christi“ wegen der jeweilig auftauchenden aberwitzigsten Gerüchte von jüdischen Freveltaten, wie Ermordung von Christenkindern, deren Blut sie zu ihren talmudischen Bräuchen benötigen sollten, Verspottung oder Missbrauch der Hostie und dergleichen mehr. Dadurch wurde die Volkswut der Bevölkerung gegen die Juden aufgeheizt und es kam zu scheußlichen Mordtaten, insbesondere aber auch zu Plünderungen der jüdischen Häuser, in denen man „erwucherte“ Schätze suchte und wohl auch nicht selten fand.

In England wurden übrigens die Juden schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts aus dem Land verwiesen, nachdem sie auch hier mancherlei Verfolgungen erlitten hatten. Sie kamen erst zu viel späterer Zeit erst allmählich nach Endland zurück. Auch in Frankreich verwies König Philipp IV. Im Jahre 1306 plötzlich alle Juden aus seinem Reich, bemächtigte sich ihres Habguts, verkaufte ihren Grundbesitz und zwang ihre Schuldner, die Schulden an die königlichen Kassen zu zahlen, anstatt an die der Juden.

Trotzdem sind die Juden aus Frankreich nicht ganz verschwunden. Überhaupt erfreuten sie sich vielerorts eines besonderen Schutzes durch die Obrigkeit, die an ihnen ein bequemes Ausbeutungsobjekt besaßen. Denn um überhaupt geduldet zu werden, mussten die Juden sowohl eine regelmäßige Kopfsteuer zahlen (das so genannte Judenschutzgeld) als auch sonstige gelegentliche Abgaben zahlen. Außerdem machten einige Fürsten und andere Obrigkeiten bei den Juden Zwangsanleihen, die oft nicht zurückgezahlt wurden.

In Deutschland entwickelte sich aus dem Schutz, den der König den Juden erteilte und verbürgte, das Verhältnis der so genannten Kammerknechtschaft. Die Juden galten gewissermaßen als Eigentum des Königs oder Kaisers und ihre Haltung unter der Bevölkerung war ein einträgliches Geschäft. Die Juden wurden als Regalien angesehen, die dann, wie alle anderen Regalien und Hoheitsrechte, auch verliehen werden konnten und wurden. Selbst einzelne Juden wurden mit Rücksicht auf die Abgaben an die königliche Kammer, denen sie unterworfen waren, als Vermögensobjekte behandelt und verliehen. Durchweg aber versuchte die Christenheit sie seit den Zeiten der Kreuzzüge aus ihrer unmittelbaren Gemeinschaft zu entfernen. Es wurde ihnen in den Städten das Wohnen nur in bestimmten Straßen oder Quartieren erlaubt, wo man sie mancherorts jeden Abend einschloss. Auch mussten sie eigenartige Kleidungsstücke oder Abzeichen tragen, an denen sie sofort und unzweideutig zu erkennen waren.

Zusammenfassung

Wir sehen, dass die Geschichte der Juden eine unstete Geschichte ist. Seit sie sich nach der Vertreibung aus ihrem Stammland in anderen Ländern niederlassen mussten, waren sie der Willkür der Machthaber in den jeweiligen Ländern ausgeliefert. Sie kamen zuerst über die Mittelmeerhäfen nach Europa, ließen sich in Italien, Spanien, Frankreich und schließlich im Frühmittelalter auch in Deutschland nieder. Manche Herrscher unterdrückten die Juden, manche gaben ihnen Privilegien. Die Stimmung in der Bevölkerung schien jedoch insgesamt immer mehr oder weniger feindselig gewesen zu sein. Ab dem 8. Jahrhundert entwickelten sich aus den Juden wichtige Wissenschaftler. Die Frauen der Juden wurden im Mittelalter sehr streng behandelt. Mit den Kreuzzügen und der religiösen und geistigen Umwälzung nahmen die Vertreibungen der Juden erheblich zu. Mit dem großen Leid, das die Bevölkerung im 14. Jahrhundert durch die Pest erlitt, gipfelten die Judenverfolgungen und der Judenhass zu einer Katastrophe. Die Bevölkerung wurde gegen die Juden aufgehetzt bedingt durch religiösen Fanatismus, Hass wegen Wucher und soziale Unterschiede.

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