Hexenwissenschaft um 1890

Hexenglaube

In der Entwicklung des Hexenglaubens unterscheidet ein Forscher (Joseph Hansen. „Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozess und die Entstehung der großen Hexenverfolgung“) in drei Hauptperioden: 400-1230, 1230-1450 und 1450-1540.Die Hexenverfolgung aber währte bis in das achtzehnte Jahrhundert hinein. Und es muss beinahe als ein Rätsel bezeichnet werden, dass in derselben Zeit, in der das Geistesleben der abendländischen Völker durch Renaissance, Reformation und Naturwissenschaften neues Licht und neue Kraft gewann, noch solch ungeheuerliche Taten geschehen konnten. Der Wahnsinn des Hexenglaubens und der Hexenverfolgung beherrschte die Gewalthaber in Kirche und Staat und schleppte Tausende und Abertausende guter Mädchen und Frauen durch Kerker und Folterkammer ins Wasser oder auf den Scheiterhaufen.

Inhalt

Wasserprobe an einer beschuldigten Hexe

Bild 201: „Hexenprobe. Eine Frau wird von Inquisitoren in einem Stadtkanal der Wasserprobe unterzogen. Ging sie unter, so war sie keine Hexe, schwamm sie aber an der Wasseroberfläche, so war sie eine Hexe und musste verbrannt werden. Holzstich nach einer Originalzeichnung von G. Franz“ aus Bildersaal deutscher Geschichte : zwei Jahrtausende deutschen Lebens in Bild und Wort. – Stuttgart [u.a.], 1890. – Bd. 1

Vorstellungen über Hexen

Was Hexerei sei, ist von den Theologen und Richtern des fünfzehnten Jahrhunderts in vielen eingehenden Erörterungen dargelegt worden; wir bemerken darin klar drei Gruppen an Vorstellungen, die schon längst vor 1400 unter den europäischen Kulturvölkern vorhanden waren. Zur ersten Gruppe zählen drei aus dem Bereich des Zauberglaubens stammende Vorstellungen, die man als 1. Malefizium, 2. Striga und 3. Verwandlung der Menschen in Tiere bezeichnet. (Die zwei weiteren Gruppen werden hier nicht behandelt.)

1. Das Malefizium

Das Malefizium ist die Grundlage des ganzen Hexenglaubens und hat zum Inhalt den Wahn, dass gewisse Menschen, zumeist Frauen, die Macht hätten, anderen Böses zuzufügen, sie körperlich und geistig krank und schwach zu machen, Liebe und Hass zu erzeugen, Haustiere zu töten, die Ernte durch schlechtes Wetter oder Hagel zu vernichten.

2. Die Striga

Unter Striga versteht man den aus den alten Vorstellungen von Gespenstern, Alben und Vampiren herausgewachsenen volkstümlichen Glauben, dass es Weiber gebe, die nachts umherflögen, um gemeinsame Gelage zu feiern, wobei sie gern kleine Kinder oder auch Erwachsene verzehren, die sie vorher getötet hätten. Das Herumfliegen dachte man sich in verschiedener Weise: manche Hexen könnten sich durch Einreiben mit einer Salbe, der Hexensalbe, in einen Vogel verwandeln, am liebsten in eine Ente; andere ritten auf gespenstischen Rossen oder auf Hirschen, Böcken, Schweinen oder gar auf Besen, Stöcken und Mistgabeln dahin.

„Es trägt der Besen, es trägt der Stock,
Die Gabel trägt, es trägt der Bock.“

3. Die Verwandlung der Menschen in Tiere

Die Vorstellung schließlich, dass sich Menschen in Tiere verwandeln können, war in alter Zeit überall verbreitet. Es sei nur erinnert an die Zauberin Circe, an die Walküren, die Schwäne wurden, an den Werwolf und an den Bären im Märchen von Schneeweißchen und Rosenrot, der ein verzauberter Prinz war. Mit dem Glauben an Zauber und Zauberei verband sich der Glaube vom Geschlechtsverkehr zwischen Menschen und Dämonen. Die Bibel erzählt (1. Mose 6,1), dass aus der Verbindung der Göttersöhne mit den Töchtern der Menschen die Tyrannen erwachsen seien; und nach griechischer Sage war Herkules der Sohn des Zeus und der Alkmene und Perseus der Sohn des Zeus und der Danae, und die Merowinger rühmten die Abkunft ihres Geschlechtes von dem Meergott Merovech und der Gemahlin des Königs Chlodo.

Auf den „Pakt mit dem Teufel“ folgt die „Hexenbulle“

An die Stelle der Götter und Dämonen trat, als das Christentum die herrschende Religion geworden war, der Teufel, der Gegner Gottes und Christi. Jede Hexe galt als eine dem Teufel Verlobte, die Gott und Christo abgeschworen habe. Solche Abschwörungsformeln hätten gelautet:

„Da steh’ ich auf dem Mist,
Verleugne Gott, alle Heiligen
Und meinen Jesum Christ.“

oder

„Ich fasse an diesen weißen Rock
Und verleugne Mariäs Sohn und Gott.“

Und mit dem Teufel kämen die Hexen zu gewissen Zeiten zusammen zum Hexensabbat. Da erschiene der Teufel als Kröte oder Frosch oder als ein schwarzer, rückwärts eine Leiter hinab steigender Kater oder auch als ein bleicher, hagerer, halb mit Tierhaaren bedeckter Mann mit schwarzen, blitzenden Augen.

Als Verlobte des Teufels und als Feinde Gottes und Christi und als Zauberinnen waren die Hexen nach dem Urteil der Kirche den Ketzern gleich. So kam es, dass der Hexenglaube mit dem Unglauben der Ketzer in Verbindung gebracht wurde und dann, wie dieser, der Inquisition verfiel. Den schärfsten Ausdruck erhielt diese Verbindung durch die „Hexenbulle“ von Papst Innozenz VIII. vom 5. Dezember 1484, veranlasst durch die Inquisitoren Heinrich Institor (Krämer) und Jakob Sprenger.

Der Papst klagt, dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass in Deutschland viele Personen beiderlei Geschlechts vom Glauben abgefallen seien, mit dem Teufel gottlose Bündnisse eingegangen, Menschen und Vieh großes Unheil zugefügt und auch sonst argen Schaden verursacht hätten. Dann werden die beiden Inquisitoren über das Verbrechen teuflischer Zauberei mit der Vollmacht autorisiert, gegen die Übeltäter mit Einkerkerung und sonstigen Strafen einzuschreiten und von der Kanzel herab das Volk über das Wesen der Hexerei zu belehren und zu verwarnen.

Ketzerrichter und Inquisition lösen die weltliche Macht (Staat) bei den Hexenverfahren ab (ab ca. 1400)

Zauberprozesse hatte es schon seit dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts gegeben; der um 1225 erschienene Sachsenspiegel setzte für Unglauben (Ketzerei), Zauberei und Vergiftung die Todesstrafe, und die Augsburger Statuten von 1227 bestimmten, dass ein überführter Zauberer zum Tode durch das Rad verurteilt werde; doch waren alle diese Prozesse durch die weltliche Obrigkeit geführt worden, es lässt sich für das ganze dreizehnte und vierzehnte Jahrhundert kein von Ketzerrichtern veranstalteter Zaubereiprozess nachweisen. Aber im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts wurde die Zauberei mehr und mehr als eine Ketzerei angesehen und daher unter die Machtbefugnis der Ketzergerichte, der päpstlichen Inquisition, gestellt, bis diese Verbindung durch die Bulle Innozenz VIII. päpstlich sanktioniert wurde.

Die Inquisition wird mächtiger und wütet gewaltig

Demgemäß wurde nun in allen Hexenprozessen das Inquisitionsverfahren angewandt: die Aufforderung von der Kanzel an alle Glieder der Kirche, alles Verdächtige an allen, ihnen bekannten Personen, also auch an Eltern und Kindern, Geschwistern und Freunden, zu melden, die Pflicht der Denunziation. Was diese Pflicht für schlimme Folgen für die Gesellschaft hatte, kann man sich kaum vorstellen. Man konnte jederzeit angeklagt werden, niemandem konnte man trauen, nicht mal der eigenen Familie, denn jeder wütende Streit konnte Veranlassung geben, den anderen aus dem Weg zu räumen. Und bevor man selbst aus dem Weg geräumt wurde, meldete man lieber den anderen zuerst! Die Folge war die totale Zerrüttung der Gesellschaft. Angst und Unsicherheit herrschten und die Menschen verlangten nach geordneten Bahnen, die Inquisition nutzte ihre Chance und riss die Macht über die Angst der Menschen in einem fast automatisierten Prozess an sich. Die Höhepunkte der Hexenprozesse durch die Inquisition finden im 17. Jahrhundert statt, also nach dem Ende des Mittelalters.

Außerdem zählen zu dem Verfahren der Inquisition das Verhör und das Verfahren, das Geständnis des Beschuldigten herbeizuführen durch Folter oder Tortur, die Festsetzung der Strafe und der Strafvollzug. Unsere Bilder geben anschauliche Kunde davon, wie die Auswirkungen davon waren.

Ausschnitt aus dem Protokoll einer Tortur

Wer einen genaueren Einblick in diese Greueltaten erhalten will, der lese „Soldans Geschichte der Hexenprozesse, neu bearbeitet von Heppe (1880), Kap. 16: Das gerichtliche Verfahren und die Strafe, Band 1, S. 327-427.“ Daraus teilen wir folgendes Protokoll aus dem Jahr 1631 über die Folterung einer Frau mit. (Soldan, S. 369)

Erster Tag

„1. Der Scharfrichter hat der Delinquentin die Hände gebunden und sie auch auf die Leiter gezogen, hierauf angefangen, sie zu schrauben und auf allen Punkten so geschraubt, dass ihr das Herz im Leibe zerbrechen möge und sei keine Barmherzigkeit dagewesen.

2. Und ob sie gleich bei solcher Marter nichts bekannt, habe man doch ohne rechtliches Erkenntnis die Tortur wiederholet, und der Scharfrichter ihr die Hände gebunden, ihr die Haare abgeschnitten und sie auf die Leiter gesetzt, Branntwein auf den Kopf gegossen und die Kolbe vollends wollen abbrennen.

3. Ihr Schwefelfedern unter die Arme und an den Hals gebrannt.

4. Sie hinten hinauf rückwärts mit den Händen an die Decke gezogen.

5. Welches Hinauf- und Niederziehen vier ganze Stunden gewährt, bis sie (der Henker und dessen Knechte) zum Morgenbrote gegangen.

6. Als sie wiedergekommen, der Meister (Henker) sie mit den Händen und Füßen auf den Rücken zusammengebunden.

7. Ihr Branntwein auf den Rücken gegossen und angezündet.

8 Darnach aber viele Gewichte ihr auf den Rücken gelegt und in die Höhe gezogen.

9. Nach diesem sie wieder auf die Leiter gelegt und mit den Händen bis an die Decke aufgezogen.

10. Ihr ein ungehobelt Brett mit Stacheln unter den Rücken gelegt und mit den Händen bis an die Decke aufgezogen.

11. Ferner hat der Meister ihr die Füße zusammengebunden, eine Klasterstütze, 50 Pfund schwer, mitten an die Füße niederwärts gehangen, dass sie nicht anders gemeint, sie würde bleiben und das Herz ersticken.

12. Bei diesem ist es nicht blieben, sondern der Meister ihr die Füße wieder aufgemacht und die Beine geschraubt, dass ihr das Blut aus den Zehen herausgegangen.

13. Bei diesem ist es auch nicht blieben, sondern ist sie zum anderenmal auf allen Punkten geschraubt worden.

14. Der (Henker) von Dreißigacker hat die dritte Marter mit ihr angefangen, welcher sie erstlicha uf die Bank gesetzt. Als sie das Hemd angezogen, hat er zu ihr gesagt: Ich nehme dich nicht an auf ein oder zween, auf drei und auch nicht auf acht Tage, auf vie Wochen, auf ein halb oder ganz Jahr, (sondern) so lange du lebst. – Und wenn du meinst, dass du nicht bekennen willst, dass du sollst zu Tode gemartert werden, so sollst du doch verbrannt werden.

15. Hat sie sein Eidann mit den Händen aufgezogen, dass sie nicht atmen können.

16. Und der von Dreißigacker sie mit der Karbatsche um die Lenden gehauen.

17. Darnach ist sie in den Schraubstock gesetzt, darinnen sie sechs Stunden gesessen und18. mit der Karbatsche jämmerlich zerhauen worden. Bei diesem es den ersten Tag verblieben.

Zweiter Tag

19. Den anderen Tag, als sie wiedergekommen, ist die vierte Marter mit ihr fürgenommen worden und sie auf etlichen Punkten geschraubt und sechs Stunden darin gesessen usw.“

Schluss

Und wehe nun den Armen, wenn sie gestanden: sie wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ob dieser Tod qualvoller war als die Tortur?Viele Frauen gingen mutig in den Tod und starben mutig und gefasst. Ja, an manchen glaubte man völlige Gefühllosigkeit und einen Zustand ekstatischer Verzückung zu beobachten. Man nannte diesen Zustand „Hexenschlaf“ und meinte, derselbe sei ein Geschenk des Teufels an seine Verbündeten.Wie groß die Zahl der armen Opfer war, kann man nicht genau sagen. Johannes Scherr meint, dass wohl mehr als hunderttausend Menschen ermordet worden wären.

Hexe bei ihrem Tod, im Hexenschlaf
Bild 204: Hexenschlaf. Von manchen Hexen auf dem Scheiterhaufen wird berichtet, dass sie bei der Verbrennung in einen tranceartigen Zustand verfallen. Wahrscheinlich ein Schutzmechanismus der eigenen Psyche, das unsagbare Leid zu erdulden. Nach einem Gemälde von Alb. Keller.

Quelle:

  • Bär, Adolf und Quensel, Paul (Hrsg.) et al. Bildersaal Deutscher Geschichte, S.126-130. Stuttgart, Berlin, Leipzig: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, o. J.

Ein Kommentar:

  1. Berichtigung;
    Die “ Wasserprobe“ galt in Deutschland nicht als Beweismittel, sondern als „Indizverfahren“. Wer nicht unterging (und das war durch weite Kleidung, Luft anhalten, Manipulation des Ergebnisses durch den e.v. bestochenen/befangenen Scharfrichter sehr gut möglich), war SÜNDIG und somit der Hexerei schon mal verdächtig, aber nicht per se als Hexe/ Hexer überführt. Untergehen, NICHT ERTRINKEN war eins der zwei möglichen Ergebnisse des Verfahrens. Zu diesem Zweck war das bedauernswerte Opfer mit einem Seil, welches der Scharfrichter in Händen hielt, gesichert. Der Scharfrichter stand für das Verhindern des Ertrinkens mit seiner beruflichen Ehre ein- und das war damals ein hoher Preis! Es gibt z.B. in Schleswig-Holstein keinen belegten Fall, wo eine Person bei der Wasserprobe ertrunken ist, jedoch einige (meist durch Prozessakten) belegte Fälle, in denen die Angeklagten selber das Verfahren als Beweis ihrer Unschuld forderten. Dieser Tabestand schmälert jedoch in keiner Weise das Ausmaß der Grausamkeit und Willkür bei der Verfolgung vermeintl. Hexen. Selbst wer im Wasser unterging, (und somit eigentl. als frei von Sünde galt), lief durchaus gefahr, diesem Ergebnis zum trotz weiter verfolgt und z.B. vom Mob per Lynchjustiz sadistisch gequält und ermordet zu werden. Selbst bei Freilassung war sicher: das Stigmata der Hexe haftete an, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Person wieder ins Kreuzfeuer geriet. Die Sündenbocksuche war ohne Maß.
    Die Wasserprobe gehörte zu den sog. Gottesurteilen, welche Kaiser Karl V 1532 in dem Strafgesetzbuch “ Criminalis Carolina“ verbot. Vielerorts wurde sie in Deutschland trotzdem angewandt. Da die kaiserliche Strafprozeßordnung Folter durchaus zuließ, gebot sie den wirklich grauenerregenden Abläufen in einem „Hexenprozess“ ohnehin keinen Einhalt.

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