Die Anfänge des Mönchtums

Niedergang des einfachen Glaubens

Seit der Zeit Konstantins des Großen machte das Christentum rasante Fortschritte; aber die alte Einfachheit, der christlich-demutsvolle Sinn, ging immer mehr verloren; man setzte größeren Wert auf Äußerlichkeit und verfiel oft in lächerliche Übertreibungen. Dass man das Andenken der Märtyrer ehrte, war vernünftig und rechtens; aber nun fing man auch an, zu den Märtyrern zu beten und sie zu bitten, eine Fürsprache bei Gott einzulegen. Wie töricht! Besonders wurden Maria und die Apostel als solche Fürsprecher bei Gott gehalten und darum göttlich verehrt, als könnten sie unsere Gebete hören. Zu ihren Gräbern zu wallfahren, besonders nach Jerusalem, galt als ein großer Verdienst und dadurch glaubte man, viele Sünden abbüßen zu können.

abb. 102: Einfacher Mönch betet.

Bild 102: Ein früher Christ lebt seinen Glauben aus, indem er einsam in einer Höhle den gekreuzigten Jesus anbetet. Später wurde der Glaube immer mehr ausgeschmückt und Prunk machte sich in der Kirche breit.

Inhalt

Der Glaube an Reliquien kommt auf

Um diese Zeit entstand auch die Begierde nach Reliquien. So nannte man die Überreste heiliger Personen. Konstantins Mutter, die heilige Helena, gab vor, bei Jerusalem das heilige Grab, das Kreuz Jesu und mehrere Nägel des Kreuzes gefunden zu haben und nun wurde damit großer Aberglaube betrieben. Wer einen Splitter des Kreuzes besaß, schätzte sich überglücklich und glaubte, durch das bloße Berühren solcher Reliquien alle Krankheiten heilen, ja selbst Tote erwecken zu können.

Nun ging es an ein Suchen nach den Knochen der Apostel und Märtyrer und mancher Knochen, wer weiß welchen Sünders, wurde als Knochen eines Heiligen ausgegeben. Denn weil nun die Gräber der längst verstorbenen Heiligen gar nicht mehr zu ermitteln waren, so glaubte man sie an den Erscheinungen oder Wundern zu erkennen, die auf ihren Gräbern geschehen sein sollten; oder man erhielt im Traum den Hinweis, dass hier oder dort ein Märtyrer begraben läge und die albernen Leute glaubten das alles auch ohne Nachzudenken. Besonders wurden die vermeintlichen Knochen der Heiligen und andere Reliquien in die Kirchen auf die Altäre gebracht und ein ordentlicher Handel damit getrieben.

Der Unsinn der Asketen

Ein anderer, ziemlich schädlicher Missbrauch, der jetzt aufkam, war der Glaube, dass eine besondere Heiligkeit darin bestehe, sich von allen irdischen Freuden loszusagen, und dass die Seligkeit nach dem Tod umso größer sein würde, je mehr man sich auf der Erde selbst geplagt hätte. Solche Leute hatte es schon unter Juden und Heiden gegeben. Dass aber Christen solche Torheiten begehen konnten, war schon hart; aber das kam daher, dass sie manche Ausdrücke Jesu nich tnach ihrem einfachen Sinn nahmen, sondern einen ganz fremden Sinn hinein legten. So hatte Jesus gesagt: „Willst du vollkommen sein, so gehe hin und verkaufe, was du hast und gib es den Armen!“ Das sagte er aber nur zu reichen Jünglingen, die an ihrem Reichtum hingen, nicht zu Jedermann!

Wollte ein Jüngling Jesu Schüler werden und mit ihm umherziehen, so musste er sich ja von allen irdischen Sorgen losmachen. Aber die Ungebildeten meinten, das verlange Jesus von allen Menschen. Manche gingen sogar an einsame Orte und lebten dort von Wurzeln und Kräutern. Der erste dieser Art soll Paul von Theben, ein Ägypter im 3. Jahrhundert, gewesen sein, der von seinem 15. bis zum 117. Lebensjahr in einer einsamen Höhle lebte. Noch berühmter ist Antonius, auch ein Ägypter, am Anfang des 4. Jahrhunderts. Der Mann lebte auch in einer Wüste, wusch sich nie und sah wie ein Wilder aus. Aber dennoch bewunderten ihn die Leute als einen Heiligen und viele machten es ihm nach.

Das erste Kloster entsteht

Einer seiner Schüler, Pachomius in Ägypten, ging noch weiter. Da so viele Menschen zu ihm in die Wüste kamen, um seine Heiligkeit zu bewundern und nachzuahmen, so erlaubte er ihnen, sich bei ihm niederzulassen; aber sie mussten, wie er, fasten, beten und arbeiten und um die kleinen Hütten wurde ein gemeinschaftlicher Zaun gezogen. Solche Wohnungen mehrerer Einsiedler zusammen nannte man ein Kloster. Die Sache fand Beifall und bald baute man sich auch in anderen Ländern solche Klöster. Die zusammen wohnenden Einsiedler wurden Mönche genannt und denjenigen, den sie als ihren Vorsteher wählte, nannten sie ihren Abt. Die Frauen wollten nicht zurückbleiben und traten auch in Klöster zusammen. Sie wurden Nonnen genannt und ihre Obere hieß Äbtissin.

Das erste Mönchstum

Geistliche waren die Mönche zunächst nicht; aber da man aus ihnen gern die Geistlichen wählte und die Mönche später eine Art geistlicher Kleidung trugen, so kamen sie dem geistlichen Stand immer näher. Es war allen Mönchen ein Gesetz, abseits der Zivilisation, arm, in völliger Unterwürfigkeit unter den Befehlen der Oberen zu leben, fleißig zu beten und zu arbeiten. Anfangs war ihnen wohl erlaubt, wieder in die Welt zurückzukehren; später hörte das auf und wer einmal ganz aufgenommen war, durfte das Kloster nicht wieder verlassen. Darum wurde jedem, der sich zur Aufnahme meldete, eine zweijährige Prüfungszeit gesetzt, während der ihm schwere Arbeiten auferlegt wurden.

Die Aufnahmeprüfungen, um ein Mönch zu werden

Die Prüfungen waren zum Teil unmenschlich und sollten alles menschliche Mitgefühl ersticken. So meldete sich einmal ein Mann zur Aufnahme in ein Kloster und brachte seinen 8jährigen Sohn mit. Nachdem beide eine Zeit lang vor dem Kloster gekniet hatten, wurde der Vater eingelassen und von seinem Sohn getrennt. Um den Vater zu prüfen, ob er dem Gehorsam für Jesus alle natürlichen Gefühle aufopfern könnte, hielt man den armen Knaben sehr schlecht, schlug ihn oft vor seinen Augen erbärmlich und zeigte ihn dem Vater immer nur schmutzig und weinend. Zuletzt befahl ihm der Abt, seinen Sohn in den Fluss zu werfen und er tat es, wobei er nicht wusste, dass Leute warteten, den Knaben wieder herauszuziehen. Erst dann hielt man ihn für würdig, ins Kloster aufgenommen zu werden.

Ausuferungen des Glaubens

Die Hauptbeschäftigung der Mönche und Nonnen war, viel zu beten. Sie wetteiferten darin ordentlich miteinander. Mancher brachte es bis auf 300 Gebete an einem Tag, eine Nonne sogar auf 700. Damit wollten sich diese Leute den Himmel erwerben! – Aber es kam noch besser. Ein gewisser Simeon errichtete sich in der Nähe von Antiochien in Syrien im 5. Jahrhundert eine Säule, die kaum 2 Ellen Umfang hatte, auf der man also nur stehen konnte. Nach und nach machte er sie immer höher, bis sie zuletzt 40 Ellen hoch war. Von ihr ging er nie herunter und hat 56 Jahre auf ihr gelebt. Die Leute hätten ihn als einen Narren auslachen sollen; aber nein! Sie hielten ihn für einen Heiligen und viele machten es ihm nach. So können sich die Menschen irren, wenn sie vom Geist des Christentums einmal abweichen!

Quelle:

  • Friedrich Nösselt: Lehrbuch der Weltgeschichte für Töchterschulen und zum Privatunterricht heranwachsender Mädchen: Mit Stahlstichen, Band 2, Ausgabe 14, Max Verlag: 1867.

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