Einführung
Zweihundert Jahre waren verflossen seit dem Tode des Königs Chlodewich, der durch seinen Unternehmungsgeist, seinen Mut und seine Treulosigkeit, die große fränkische Monarchie gegründet hatte. Ich würde euch Langeweile machen, wenn ich euch die Geschichte aller blutigen Kriege, aller Teilungen und Zerstückelungen des fränkischen Reichs in dieser langen Zeit, erzählen wollte.
- Einführung
- Die Könige verkommen
- Der Majordomus übernimmt die Macht
- Karl Martell besiegt die Araber
- Die Söhne Karl Martells
- Die Absetzung von Childerich
- Pippin bringt den Papst auf seine Seite
- Pippin lässt sich zum König der Franken krönen
- Pippins Feldzug gegen die Langobarden
Die Könige verkommen
Deshalb nur so viel: Am Ende arteten die Nachfolger Chlodwigs völlig aus. Sie waren der Kriege müde und verschlossen sich ohne Kraft und Mut in ihren Palästen mit ihren Weibern oder setzten sich an die gut besetzte Tafel und kümmerten sich bei alledem so wenig um die Regierungsgeschäfte, dass man sie allgemein die königlichen Faulbäuche (Rois fainéans) nannte.
Der Majordomus übernimmt die Macht
Alle Kriegs- und Regierungsgeschäfte blieben unter diesen Faullenzern ihren Majordomus, das heißt, ihren ersten Ministern, überlassen die da schalteten und walteten, wie sie wollten, und es am Ende so weit brachten, dass die Majordomuswürde in ihrer Famille erblich wurde. Die berühmtesten unter ihnen waren Pippin von Herstall, Karl Martell, und Pippin der Kurze. Der erste war der Großvater, der zweite der Sohn, der dritte der Enkel: alle drei kraftvolle, unternehmende Männer.
Pippin von Herstall hatte die ganze, große fränkische Monarchie unter seiner Verwaltung und beherrschte sie als Majordomus 27 Jahre lang. Er ließ sich auch zum Herzog, das heißt, Heerführer der Franken, wählen, und führte glückliche Kriege.
Karl Martell besiegt die Araber
Unter seinem mutigen und großen Sohn, Karl Martell, kamen die Araber von Spanien aus mit einem mächtigen Heer über die Pyrenäen herüber, und versuchten, sich der fränkischen Monarchie zu bemächtigen. Sie hatten bis dahin schon ganz Nordafrika erobert und niemand schien sie aufhalten zu können.
Schon waren sie bis an die Loire und in die Ebenen der Stadt Tours vorgedrungen; allein der tapfere Martell rückte ihnen mit seinen Franken entgegen und schlug sie erst bei Tours im Jahre 732, und dann noch einmal bei der Stadt Narbonne, fünf Jahre später, so nachdrücklich, dass sie für gut fanden, ganz Frankreich wieder zu räumen, und sich über die Pyrenäen nach Spanien zurück zu ziehen. Von jener Zeit an ließen sie sich nicht wieder sehen.
Martell oder Marteau heißt in französischer Sprache ein Hammer. Der Überwinder der Araber erhielt diesen rühmlichen Beinamen, weil er, wie ein Hammer, auf die Feinde losgeschlagen hatte.
Karl Martells Söhne
Dieser tapfere Krieger hinterließ nach seinem Tode (741) zwei Söhne, von denen der eine, Pippin der Kurze genannt, seines großen Vaters würdig war. Man nannte ihn den Kurzen wegen seiner kleinen Gestalt; Geist und Mut aber waren bei ihm nicht klein. Der andere Sohn, Karlmann, fand mehr Gefallen an dem stillen Klosterleben, als an Regierungsgeschäften. Er ließ sich daher den Kopf scheren, schlupfte in eine Kutte, und wurde ein frommer Mönch.
Die Absetzung von Childerich
Pippin, der Majordomus (Verwalter) von König Childerich, dachte in seinem Herzen: „Wenn es meinem Bruder Karlmann so gut in einem Kloster gefällt, so wird es dort auch nicht an Unterhaltung für meinen faulen König Childerich fehlen. Er ist ja ohnehin schon lange das zurückgezogene Leben gewohnt; man sieht ihn alle Jahre einmal auf seinem mit Ochsen bespannten Wagen zur Reichsversammlung fahren, wo er eine erbärmliche Rolle spielt; es wird ihm folglich nicht schwer fallen, in einem Kloster ganz zurückgezogen zu leben; und das Schweigen versteht er ohnehin besser, als das Reden. Also herab von dem Throne in eine Zelle! Ein geschorner Kopf wird ihm weit besser stehen, als seine langen, fliegenden Haare, und eine Kutte kleidet ihn sicher weit schöner, als ein Purpurmantel. Sitzt er einmal unter den Mönchen, so bin ich unumschränkter Herr, und das wird viel besser für mich und für das fränkische Volk sein“.
Pippin bringt den Papst auf seine Seite
So dachte Pippin. Da aber schon seinem Vater Karl Martell ein ähnlicher Versuch, sich unabhängig zu machen, nicht ganz gelungen war, weil die Großen des Reichs sich widersetzt hatten, so wollte er behutsam ans Werk gehen, und erst den heiligen Vater in Rom und dann die Geistlichkeit überhaupt auf seine Seite bringen.
Dazu war ihm der Erzbischof zu Mainz, Bonifacius, den man auch den Apostel der Deutschen nennt, und von dem ich euch bald mehr erzählen werde, sehr behilflich, denn er stimmte den damaligen Papst, Zacharias, zum Besten Pippins. Pippin sandte daher, ohne Bedenken, Abgeordnete nach Rom, mit der Anfrage an den heiligen Vater: Ob derjenige, der sich in dem wirklichen Besitze der Regierung und der königlichen Gewalt befinde, nicht auch des Königstitels würdig sei? Der Papst dachte sich nicht lange nach.“Allerdings“, war seine Antwort, „daran gibt es gar keine Zweifel“.
Pippin lässt sich zum König der Franken krönen
Vergnügt mit dieser Erklärung, kehrten die Abgesandten eiligst nach Hause zurück. Pippin machte die Antwort des Papstes sogleich in der Versammlung der Großen bekannt und ließ sich zum König wählen. Der Scheinkönig Childerich aber musste, nebst seinem Sohne, mit geschorenem Kopf, fünf Jahre nach Pippins Bruder, in ein Kloster wandern. Dort vertrocknete mit ihnen der letzte Zweig des Merowingischen Geschlechtes.
Pippin aber ließ sich nebst seiner Gemahlin Bertha vom Erzbischof Bonifacius 752 in Soissons zum König der Franken salben, und feierlich krönen.
Pippins Feldzug gegen die Langobarden
Zum Dank für den wichtigen Dienst, den ihm durch seine Antwort der heilige Vater Papst geleistet hatte, nahm sich Pippin seiner eifrig gegen die Langobarden an, die den Papst in Angst vesetzten, zog gegen sie zu Felde, und nahm ihnen den größten Teil des Exarchats, oder den nachherigen Kirchenstaat, ab, den er dem Papste als einen Beweis seiner Erkenntlichkeit geschenkt haben soll, doch so, dass er sich die Oberherrschaft darüber vorbehielt.
So sagen wenigstens die römischen Bischöfe, und die es mit ihnen halten. Die Schenkung ist aber nicht ganz belegt, denn sie wurde erst von einem Schriftsteller erwähnt, der 140 Jahre nach Pippin und dem Papst Zacharias lebte; die Autoren aus jener Zeit aber schweigen davon.
Quelle:
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- Dr. Georg Ludwig Jerrer: Die Weltgeschichte für Kinder, Band 2, 5. Ausgabe, Nürnberg: Verlag von Friedrich Campe, 1833.
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