Der Bauer zur Karolingerzeit
Einführung
Wir wissen nicht, wie zur Karolingerzeit (ca. 750 bis 900) das Verhältnis zwischen freien und unfreien Landleuten war, aber wir sehen deutlich, dass die meiste Kraft des Volkes in der Masse der freien Landbewohner lag. Zu dieser Zeit fangen auch schon die größeren Grundherren zusammen mit gewalttätigen Beamten und der herrschsüchtige Kirche damit an, die Zahl der Freien zu verkleinern, indem sie ihnen Schutz gegen ihren Dienst aufdrängen. Die Lage der freien Bauern muss schon damals unerträglich gewesen sein: Sie mussten ihren “Zehnten” abgeben und Waffendienst leisten und bei Reisen des Königs sehr große Lieferungen abgeben.
Der freie Bauer wird unfrei
Die Mächtigen unterdrückten die Rechte der freien Bauern, sie wurden von Räuberhaufen gequält und von Gewalttaten ihrer Nachbarn heimgesucht. So musste er seine Freiheit aufgeben, um sich zu schützen und übergab seinen Hof und Hufe einem mächtigen Herrn, der es ihm zurückgab. Dann musste er dem neuen Herrn als Symbol seiner Dienste ein Huhn von seinem Hof und einen Teil seines Feldertrages oder seiner Arbeitskraft als jährliche Abgabe zahlen. Dafür schützte der Herr den Bauern und leistetemit seinem eigenen Gefolge den Waffendienst an Stelle des Bauers.
Der Bauer musste also nicht mehr zu den Waffen greifen und verlernte, zu kämpfen. So begann die Verringerung der Kraft der deutschen Landbevölkerung. Und mit ihr begann die Unterdrückung des Bauern, die Verschlechterung des Fußvolkes und das Heraufkommen der Lehnsherren, aus denen sich in den nächsten Jahrhunderten der höhere und niedere Adel entwickelte. Das Gefolge der Lehnsherren war bestand meist aus Unfreien. Jeder innere Krieg, jeder Einfall fremder Feinde, wie der Normannen, der Ungarn und der Slawen, trieb zahlreiche Freie in die Dienstbarkeit. Die Kirche arbeitete permanent daran, sich selbst oder sogar ihre Heiligen als Lehnsherren für reuige Sünder zu empfehlen.
Der Bauer um 1000
Der freie Bauer war noch hoch angesehen
Und doch fühlte sich der freie Bauer um das Jahr 1000, zur Zeit der großen Sachsenkaiser, noch als selbstständige Kraft. Der unfreie Bauer aber stand unter harten Druck und war gering geachtet; er musste sich durch schlechte Tracht und durch kurzes Haar auch äußerlich von den freien Bauern unterscheiden. Der freie Bauer trug damals noch das lange Leinen- oder Tuchgewand, das so ähnlich geschnitten war, wie das Gewand des Kaisers selbst; er hatte auch noch das Schwert an seine Seite geschnallt und schritt so zur Versammlung unter dem Baum oder am Gerichtsstein des Dorfes. Und wenn vier Generationen seiner Vorfahren auch freie Bauern waren und er drei Hufe besaß, so war sein Rang nach dem alten Sachsenrecht höher, als der eines adligen Hofmannes, dessen Vorfahren Unfreie waren. Wer einen solchen freien Bauern schädigte, der musste mit harter Strafe rechnen, etwa so, als hätte er einem Fürsten etwas angetan.
Neuerungen in der Landwirtschaft
Der Bauer in seiner Lebenswelt
Zur Zeit Otto des Großen (ca. 950) wurden die Bauern gute Christen, aber in ihren Häusern und auf dem Feld lebten sie noch immer ihre alten Gewohnheiten des heidnischen Götterglaubens aus. Aus diesem Glauben heraus entwickelte der Bauer viel Fantasie, um die Natur, die Tiere und die Pflanzen mit anderen Augen zu sehen. Was über seine Feldmark flog und sprang, also Hase, Wolf, Fuchs und Rabe, war ihm sehr vertraut. Den Charakter und die Schicksale dieser Tiere hat er in Fabeln erzählt und mit guter Laune in heldenmäßigem Ton schöne Geschichten über sie gesungen. In seinem Haus lebten viele abgerichtete Vögel, von denen ihm die am wertvollsten waren, die sich menschenähnlich benahmen. Der Star sagte dann komisch das Vaterunser auf und die Dohle ruft den Heimkehrenden ihren Willkommensgruß zu.
Über das Tanzen eines abgerichteten Bären erfreute sich der Bauer und seine Ackertiere liebte er herzlich, seinen Pferden, Rindern und Hunden gab er alte Götternamen, die sich würdig und weihevoll anhören. Dieses Bedürfnis, sich die ganze Umgebung gemütlich herzurichten und sein eigenes Wesen darin zu genießen, ist eine charakteristische Eigenschaft des alten deutschen Bauern. Diese Liebe zu den Tieren, Stubenvögeln, Hunden und Pferden hielt sich lange; noch zu Luther’s Zeit, wenige Jahre vor dem großen Bauernkrieg, küsste ein treuherziger Bauer sein schickes Fohlen auf den Hals. Ein lauernder Mönch hatte dies gesehen und der Bauer wurde vor das geistliche Gericht zitiert und zu einer harten Geldstrafe verurteilt, weil man so etwas nicht machte. Karsthans ballte deshalb seine Faust gegen die Pfaffen.
Die Sprache und der Bauer
Noch sang der Landmann um das Jahr 1000 am Herdfeuer die gewaltigen Heldenlieder, die in ihrem Kern zum Teil älter sind, als die Völkerwanderung; er singt Lieder von Siegfrid und der Schlachtjungfrau Brunhild, vom Verrat des Burgunderkönigs Gunther, vom Kampf des starken Walter mit Hagen und vom Untergang der Nibelungen. Seine Schriftsprache war unbeholfen, aber seine Lautsprache war klangvoll und gewichtig, mit vollen Endungen und reichem Vokalwechsel.
Wie mächtig die Worte damals noch waren, sieht man an feierlich gesprochenen Gebeten, Rechtsformeln und Beschwörungen, die in den Bauern eine zauberhafte Wirkung auslösten. Der Klang und der Inhalt der Worte waren für ihn sehr bedeutungsvoll. Für ihn war ein weiser Spruch sehr wertvoll; besaß er einen, so erhoffte er sich großes Glück davon; er konnte ihn aber auch kaufen und verkaufen und der Käufer konnte ihn zurückgeben, wenn er nicht geholfen hatte.
Quelle: