Sicherheit und Ordnung in den Städten

Einführung

Gemeinheitlich verfasste Städte sind im Altertum ausschließlich, und im Mittelalter vorzüglich, der ursprüngliche Boden gewesen, aus welchem die gesamte innere Staatskunst hervorgegangen ist; denn unter den fürstlichen Regierungen des frühen Mittelalters hat nur die Französische, fast gleichzeitig mit den berühmtesten städtischen Regierungen von Italien, Sinn bewiesen für aufmerksame, tätige Staats- und Volks-Pflege. Dass hauptsächlich in Städten die Anfänge der Verwaltungskunst einheimisch sein müssen, bringen die inneren Zustände, die Natur der städtischen Gesellschaft, mit sich.

Denn Nur unter den Städtebewohnern ereignen sich häufige und nahe Berührungen, Reibungen, Zusammenstöße, die eine Beaufsichtigung der Obrigkeit erfordern; nur hier findet ein rascher Gedankenumlauf statt, der, mit vielem Guten, viel Schlimmes zur Folge hat, wogegen also die Regierung nicht gleichgültig bleiben darf; nur hier entstehen gewisse Ansprüche auf Bereicherung, Verschönerung, Beglückung des Lebens, welche die Väter des Volks nicht abweisen können.

Besonders aber sind es die gemeinheitlich verfassten Städte, in denen die Schule der schwierigen Kunst zu erkennen ist, ein großes Gemeinwesen in allen Teilen zu verwalten. Mehr Gärungsstoff in dem Innern solcher Bürgerschaften, öftere Erneuerung der obersten Beamten, mehr Abwechslung also in den herrschenden Meinungen und Grundsätzen, eine raschere Wechselwirkung zwischen Gesetzen und Übertretungen, erfordern und bewirken größere Tätigkeit, Klugheit und Wachsamkeit der Oberbehörde, als in Städten, wo sich Alles langsamer bewegt.

Schwer ist es in den Staaten des Altertums gewesen, Zucht und Ordnung zu halten unter einem unruhigen, leidenschaftlichen, großenteils müßigen, und dabei bewaffneten Volkshaufen; aber viel schwerer unstreitig in den Freistädten der mittlern Jahrhunderte. Die Milde, welche dem Guten in der menschlichen Natur gebührt, mit der Strenge zu vereinigen, die gegen das Böse in derselben Natur herrschen muss: diese Aufgabe der Staatsobhut, welche Sorgen, wie viele schlaflose Nächte muss sie, unter denUmständen jenes Zeitalters, Männern von Rechtssinn, Pflichtgefühl und Vaterlandsliebe verursacht haben!

Inhalt

Schwierigkeiten bei der Vollstreckung der Gesetze

Wie sehr sind die löblichsten Bestrebungen für Sittlichkeit und Recht durch gewisse Gebrechen nicht bloß der bürgerlichen, sondern selbst der kirchlichen Gesellschaft erschwert worden, wie oft ganz vereitelt! Sein eigener Richter zu sein, oder, bei begangnen Verbrechen, sich den Gerichten zu entziehen, gelang nur zu oft: jenes durch bewaffnete Dienerschaften solcher Landherrn, denen, vermöge der Lehnverfassung, die Unterhaltung von Kriegsleuten zustand; dieses, wenn man eine Kirche, eine Klosterfreistätte,erreichen konnte.

Dem letzten haben endlich die Bürgerschaften Einhalt getan. Oft hat zum Verderben gereicht, dass in einer großen Bürgergesamtheit, wenn sie übermächtig hervorbrach, der Einzelne sich ungestraft in der Menge verbergen konnte; wo es aber die Abstellung eines kirchlichen Unfugs galt, an den sich noch keine Gesetzgebung wagte, da war die rücksichtlose, stürmische Gewalt des Volkshaufens das einzige, freilich ein riesenhaftes Heilmittel.

Gefahr durch Verwiesene

Wenn es nun innerhalb der Städte an Übereinstimmung und Festigkeit in der Handhabung der Sicherheit und Ordnung fehlte, wie viel mehr außerhalb! Wegen der vielen städtischen, weltfürstlichen und geistlichen Gebiete, in die jedes Land zerstückelt, und unter deren Regierungen an keine Vereinbarung, keine gemeinsame Maßregeln, zu denken war, konnten die Anstalten zur Verhütung oder Entdeckung von Verbrechen nicht anders, als mangelhaft sein.

Es gab wenige Stadtgebiete, die nicht den Meutereien ausgewanderter Missvergnügten, oder den Anschlägen und Nachstellungen rachsüchtiger Verbannten, ausgesetzt waren. Da die Strafe der Verweisung eine sehr gewöhnliche war, und die Gesetzbücher der meisten Städte Vorkehrungen gegen die eigenmächtige Rückkehr enthielten, so lag in dieser Maßregel eine der häufigsten Ursachen der Unsicherheit auf den Landstraßen.

Bewaffnete Ratsdiener

Das größte von den Übeln, an denen die städtischen Gemeinheiten litten, bestand in der Mangelhaftigkeit der Zwangsmittel, welche die Regierung gegen Verbrecher und Empörer anzuwenden hatte, wo die gewöhnlichen Amtsdiener nicht ausreichten.

Bewaffnete Mitbürger sollten hier dieser Grundpfeiler sein, auf welchem zuletzt alle Gesetzlichkeit und Staatsordnung beruhte. Aber wie tapfer auch diese meistenteils im Felde, gegen äußere Feinde fochten: innerhalb der Ringmauern machte ein Inbegriff von Umständen solche Mannschaft nur zu oft untauglich zum nachdrücklichen Vollstreckungsmittel.

Abgesehen davon, dass Viele den Dienst mit Unlust verrichteten, weil sie ihren Erwerb darüber versäumten, so wie davon, dass, weil sie ohne Sold dienten, es mit der Mannszucht und Ordnung nicht zum besten bestellt sein konnte, vereitelte der unselige Parteigeist sehr häufig die ernstlichsten Maßregeln der Obrigkeit.

Die Zünfte widersetzen sich

Verderblicher noch, als die Unzuverlässigkeit, die zweideutige Treue derer, die als Werkzeug zur Aufrechthaltung der Gesetzlichkeit dienen sollten, war in dieser Beziehung ein bürgerliches Verhältnis, mit dem selbst die gemeinheitlichen Städte des Altertums verschont geblieben: das Zunftwesen. Wie oft hat sich die Übermacht einer zahlreichen Handwerkerzunft der vollstreckenden Gewalt mit Erfolg widersetzt, wenn der zu verhaftende oder zu bestrafende Verbrecher ein Zunftgenosse war!

Es ist jedoch unter so vielen niederschlagenden Wahrnehmungen auf dem Schauplatze jenes Zeitalters eine von den aufrichtenden, erfreulichen, dass es, im Fortschreiten der gesellschaftlichen Bildung in den Städten Italiens und Deutschlands der bürgerlichen Klugheit allmählich gelungen ist, alle diese Schwierigkeiten zu überwinden.

Zünfte als Mittel der Obrigkeit in Bologna

Wo das Bedürfnis der wachsamen Sorgfalt für Sicherheit und Ordnung auf den Straßen bei Tage und bei Nacht am größten war, wegen der Eigentümlichkeit eines sehr ansehnlichen Teils der Bewohnerschaft, in Bologna, da hat auch die Regierung zuerst verstanden, der Last eine Kraft entgegenzusetzen.

Hier konnten, wann es irgend zu bedenklichen Auftritten kam, die fünfzig, dem Potestas zu Gebote stehenden, bewaffneten Amtsdiener nicht ausreichen. In Erwägung der obwaltenden gesamten Um¬stände muss man den städtischen Rat daselbst bewundern, wie er das Mittel gefunden bat, die Zünfte für den heilsamen Zweck zu ge¬winnen.

Er bewog seit dem Jahre 1271 die Waffenausschüsse derselben, sich der öf¬fentlichen Sicherheit und Wohlfahrt anzunehmen. Die wichtigsten waren die soge¬nannten Lombarden.

Die Handwerke, deren be¬waffnete Mitglieder zum Schutze des Gemeinwesens gebraucht wurden, ließen sich gefal¬len, alsdann unter den Befehlen nicht von ihres Gleichen, sondern obrigkeitlicher sogenannter Friedensbeamten, zu stehen, von denen über jede der drei ältesten Waffengenossenschaften einer gesetzt war.

Von steigender Notwendigkeit bewogen, erweiterte man darauf diese Maßregel, dass jede Zunft, durch Stellung ihrer bewaffneten Mannschaft, zur Sicherung der öffentlichen Ruhe beitragen musste.

Die außerordentliche Stadtwache in Deutschland

In Städten, wo keine regelmäßige, beständige Bürgerwache zu Stande kam, wurden wenigstens in bedenklichen Zeiten, bei drohenden Gefahren, außerordentliche Vorkehrungen getroffen; wie in Trevigi, wo die Verfassung mit sich brachte, dass ein Bürgerausschuss nach den Stadtvierteln ernannt ward, der eine bewaffnete Mannschaft von vier- bis fünfhundert aufbringen musste.

Von manchen Städten sind einzelne Fälle bekannt, von Genua, Pisa, Regensburg, Köln.

Oft ist in Regensburg vorgekommen, dass wohlgesinnte Burger in dringenden Fällen sich außerordentlich mit dem Rat vereint haben.

In Köln muss die Verlegenheit des Rats im Jahre 1321 groß gewesen sein, da sich die Fünfzehn des engen, und die Zwei und Achtzig des weiten, noch außerordentlich und ausdrücklich zu dem verpflichteten, was ihr Amt ohnehin forderte. Söldner zu Fuß und zu Pferde, zu denen unter andern Augsburg, München, Regensburg, Nürnberg, sich entschlossen, waren wohl nicht unzweckmäßig, nur verursachte die Aufbringung der Unterhaltungskosten gewöhnlich viel Missvergnügen.

So wachsam und unverdrossen waren die Regensburger Ratsglieder, deren Stadt in acht Wachten geteilt war, jede mit einem Wachtmeister, dass in Zeiten der Gefahr einige von ihnen seihst, abwechselnd, des Nachts alle Straßen untersuchten.

Quelle:

  • Hüllmann, Karl Dietrich. Geschichte des Urpsrungs der Stände in Deutschland. Erster Theil. Frankfurt an der Oder: In der Akademischen Buchhandlung, 1806.
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