Naturereignisse und der schwarze Tod

Einleitende Erklärung von Deutschland-im-Mittelalter.de: „Noch im 19. Jahrhundert, bevor der Pesterreger entdeckt wurde, rätselte die damalige Wissenschaft über die Entstehung und die Herkunft der Pest. Man konnte sich bis dato nicht endgültig erklären, was die Pestwellen verursachte. Erklärungsversuche setzten deshalb bei Naturkatastrophen an, die manchen Pestepidemien vorausgingen. Mit diesem Hintergrundwissen lesen sich manche der folgenden Zeilen wie eine Reise zurück in der Zeit, als Hilflosigkeit und Angst vor dem schwarzen Tod um sich griffen.“

Inhalt

Die Naturereignisse, die der Pest vorausgingen

Die Jahre vor dem Ausbruch der großen Pest wurden begleitet durch ungewöhnliche Naturereignisse, so dass die Menschen dachten, diese Naturereignisse seien die Vorboten der Pestepidemien. Aber schon diese Naturereignisse selbst brachten großes Elend über die Bevölkerung.

Übertreibungen bezüglich der Naturereignisse

Übertreibungen trugen noch zum Entsetzen der Menschen bei. So erzählt bspw. De Mussis, dass im Orient bei Kathay, „welches ist das Haupt der Welt und der Anfang der Erde“, schreckliche und entsetzliche Zeichen erschienen seien. Denn es fielen in einem dichten Regen Schlangen und Kröten zur Erde herab, drangen in die Wohnungen ein und töteten unzählige Menschen durch ihr Gift und durch Bisse mit ihren Zähnen.

Im Süden, bei den Indern, wurden durch Erdbeben die Wohnplätze zerstört und die Trümmer durch Feuerflammen, die vom Himmel fielen, verbrannt. Unzählige Menschen verbrannten in feurigen Dünsten und an manchen Orten fielen Ströme von Blut und Steine vom Himmel.

In Deutschland wurde erzählt, es seien durch verderbliche Einwirkungen der Gestirne in dem Land, „wo der Ingwer wächst“, Tiere und Menschen zu Stein geworden; es sei ein tödlicher mit Schlangen gemischter Regen und Feuer vom Himmel gefallen, der selbst Steine zerstörte und dadurch einen verpestenden Rauch verursachte. Nach diesem Rauch sei dann die Seuche gefolgt. Durch Kaufleute und Augenzeugen dieser Ereignisse sei dann die Krankheit nach Griechenland und Italien gebracht worden.

Berichte über Naturereignisse, die die frühere Forschung beeinflussten

Naturkataastrophen in Asien

Den frühesten Schauplatz dieser Ereignisse bildet der ferne Osten Asiens. Nach den Berichten chinesischer Chronisten wurden in den weiten Länderstrecken mit dem Namen „Kathay”, welches das heutige China und einen großen Teil der Tartarei umfasste, schon seit dem Jahr 1333 die Naturgewalten entfesselt. Es gab eine versengende Dürre, der eine Hungersnot folgte. Dann, in der Gegend von King-sia, der damaligen Hauptstadt des Reiches, bewirkten unendliche Regenfluten eine Überschwemmung, bei der Tausende von Menschen umkamen (der Autor spricht von 400.000). Bald daruf stürzte Gebirge in sich zusammen.Im Jahr darauf folgten wieder Überschwemmungen in der Gegend von Canton; in Tche folgte auf eine beispiellose Dürre eine Pest, durch die Millionen Menschen hinweggerafft wurden (der Autor spricht von 5 Millionen). Noch im selben Jahr ereigneten sich in anderen Provinzen des Reiches Erdbeben. Von Neuem wiederholten sich im Jahr 1336 die Trockenheit der Luft und die Überflutungen der Gewässer. Noch größeres Unheil soll im Jahr 1337 durch ein sechstägiges Erdbeben verursacht worden sein; in der Gegend von Kiang erlagen Millionen Menschen dem Hungertod, nachdem unabsehbare Heuschreckenschwärme und Überschwemmungen die Felder verwüstet hatten. Bis zum Jahre 1347 wechselten in China Überschwemmungen, Erdbeben und Hungersnöte miteinander ab.

Erdbeben in Griechenland

Durch ähnliche Ereignisse wurde nach den Berichten glaubwürdiger Schriftsteller auch im übrigen Asien, Afrika und Europa die Ausbreitung des schwarzen Todes eingeleitet. Der Ätna brach im Jahr 1333 aus. Weiterhin werden heftige Erderschütterungen in der Periode der Herrschaft des schwarzen Todes von der Mehrzahl der Berichterstatter angeführt. Besondere Zerstörung richtete das Erdbeben vom 25. Januar 1348, also während der Verbreitung der Pestepidemie, in Griechenland, Italien und Kärnthen an. Diesem Erdbeben folgten schwächere Nachbeben, bis am 2. Februar 1348 heftige Erschütterungen, deren Auswirkungen bis in die skandinavische Halbinsel hinauf wahrgenommen wurden, vorkamen. Durch einen Orkan und die andringenden Meeresfluten wurde die Insel Zypern in eine Wüste verwandelt, nachdem bereits vorher die schwarze Seuche unglaubliche Verheerungen angerichtet hatte.

Erdbeben Italien und Österreich

Dasselbe Erdbeben zerstörte in der Lombardei und der Grafschaft Göritz fünfzig blühende Städte: in Kärnthen wurden Berge von der Stelle bewegt; in der Stadt Villach, wo das Ereignis zur Zeit des Gottesdienstes eintrat, fand ein großer Teil der Einwohner durch den Einsturz der Kirche einen jähen Tod; auch noch dreißig andere Orte in Kärnthen wurden fast gänzlich verwüstet und viele Einwohner unter den Trümmern ihrer Wohnungen begraben. In Istrien spaltete sich die Erde in Form eines Kreuzes, welchem Blut und Wasser zu entströmen schienen. Dieselbe Erderschütterung wurde am 26. Januar 1348 in Modena, wo sie sich am 7. Februar wiederholte, in Parma und Rom bemerkt, wo die Peterskirche beträchtliche Beschädigungen erlitt. In Schwaben, Bayern und Mähren stürzten Schlösser und Burgen zusammen; alte Quellen versiegten, neue entstanden. „Wir sahen”, heißt es in dem Bericht eines Augenzeugen im Kloster Weihenstephan bei Freising über das Erdbeben am Tage von Pauli Bekehrung, „wir sahen die größten Bäume in den Wäldern durch die Bewegung aneinanderstoßen; wir sahen bei diesem Zittern der Erde die Flüsse auslaufen und auch das hellste und klarste Wasser trübe werden. Zu dieser Stunde waren die Leute wie unsinnig und hatten Kopfschmerzen. Wenn sie gingen, so verirrten sie sich unterwegs, wollten sie aber stehen, so konnten sie nicht stehen bleiben.

Acht bis vierzehn Tage dauerten in mehr oder weniger heftigen Graden diese Erschütterungen, um sich mit geringerer Heftigkeit im Jahr 1349 in Polen, England und dem nördlichen Europa zu wiederholen, und erst im Jahre 1360 ganz nachzulassen.

Kometen

Nicht weniger Ungewöhnliches bot in dieser Zeit der Anblick des Himmels den erschreckten Gemütern. Es war vor Allem ein Komet, der am östlichen Himmel, den langen Schweif nach Westen gekehrt, sich zeigte und durch die ungewöhnliche Mattigkeit seines Scheines allgemeinen Schrecken verbreitet.
Hell leuchtende Meteore von ungewöhnlicher Größe sollten in Asien nach der Meinung Einiger durch die giftigen Dünste, die ihrem Inneren entströmten, nachdem sie zur Erde gestürzt waren, als unmittelbare Ursachen der verheerenden Seuche anzusehen sein. Vor dem Herannahen des schwarzen Todes (im August 1348) sichtete man in Paris einen Meteor von ungewöhnlichem Glanz, der sich aber am Himmel nicht bewegte.

Temperaturschwankungen

Über das Verhalten der Temperatur der Atmosphäre finden sich natürlich in den Nachrichten des 14. Jahrhunderts nur sehr allgemeine Angaben. Abgesehen von China, wo entsetzliche Dürre als Veranlassung großer Hungersnot genannt wird, so scheint in Europa, im Süden wenigstens und im Sommer, die Witterung sich bereits mehrere Jahre vor dem schwarzen Tod durch Wärme und Feuchtigkeit ausgezeichnet zu haben. Mit Bestimmtheit wird zumindest von Colle versichert, die Luft sei seit mehreren Jahren neblig und warm gewesen. Einige Berichte gedenken für 1348, das Ausbruchsjahr des schwarzen Todes im mittleren Europa, z. B. aus Schleswig-Holstein, einer mit sonstiger „schädlicher Beschaffenheit der Luft“ verbundenen Winterkälte, die für viele Menschen tödlich war. Daher kam wohl auch die ungewöhnliche Raubgier wilder Tiere, über die wir von anderen Orten erfahren. Wölfe drangen bis in das Innere der Häuser vor und entrissen Säuglinge den Armen ihrer Mütter. Eines durch Dürre verursachten Misswachses wird in Holstein für das Jahr 1350 gedacht.

Orkan und Sturmflut

Sorgfältiger schon sind die Berichte über die während der Herrschaft der Seuche wahrgenommenen Störungen im Gleichgewicht der Atmosphäre und der Gewässer. Vor Allem ist des Orkans zu gedenken, der das bereits erwähnte Erdbeben vom 25. Januar 1348 begleitete. So ging ferner dem Ausbruch der Seuche in Dänemark ein gewaltiger Sturm voraus (am Martinstag 1349). Das verheerendste Ereignis dieser Art aber war die Sturmflut vom 1. Januar 1354, die, gleich der großen Flut 400 Jahre später, dieselben Gegenden betraf, weit und breit die Küsten der Nordsee verwüstete.

Überschwemmungen

Unter den Wirkungen dieser gewaltigen Schwankungen im Gleichgewicht des Luft- und Wassermeeres ist zunächst der Überschwemmungen zu gedenken, denen in dieser Zeit die Ufer des Ozeans und der großen Ströme in vielen Gegenden Asiens und Europas ausgesetzt waren.

Für das Jahr 1338 berichte holsteinische Geschichtsquellen von einer Überschwemmung, die, wie es scheint, hauptsächlich durch vierzig Tage und Nächte anhaltende Regengüsse entstand und vornehmlich dadurch schädlich wirkte, dass sie die Wege verdarb und auf diese Weise die Zufuhr der wichtigsten Lebensbedürfnisse, besonders des Salzes, unmöglich machte. Die Berichte gedenken gerade dieses letzten Umstandes als einer Hauptursache der in derselben Zeit unter den Menschen und dem Vieh grassierenden Krankheiten.

Die nächsten Nachrichten über derartige Naturereignisse betreffen das Jahr 1342. In Frankreich wurden die Fluren durch Wasserwogen verheert, die man nicht bloß von den reichlich strömenden Regengüssen (und dem reichen Schneefall des vorausgegangenen, durch Kälte gezeichneten Winters) ableiten konnte, sondern die aus dem Innern der Erde selbst an vielen Orten hervorzubrechen schienen. In Deutschland wurden ganze Städte unter Wasser gesetzt, zu Köln, Erfurt und an vielen anderen Orten die Brücken weggerissen usw.

Das Jahr 1343 zeichnete sich ebenso durch beständigen Regen und Feuchtigkeit sowie durch Überschwemmungen des Rheins und Mains aus.

  • Heinrich Haeser: Lehrbuch der Geschichte der Medicin und der Volksrankheiten, ab Seite 262. Jena: Friedrich Mauke Verlag, 1845.

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