Ludwig der Fromme

Einführung

Karl der Große hatte vier Söhne. Der zweite unter ihnen wurde, unter dem Namen Ludwig der Fromme, sein Nachfolger. Ihr sollt sogleich hören, wie dieser fromme Mann seine Regierung antrat und mit welchem Recht er diesen schönen Beinamen führte.

Eigentlich wäre der älteste Sohn des Kaisers berechtigt gewesen, dessen Erbe anzutreten. Aber Karls des Großen ältester Sohn war gestorben und hatte einen Prinzen, namens Bernhard, hinterlassen. Also ging das Erbe an Karls zweitältesten Sohn, Ludwig, über. Ludwig entschied dann, das Erbe an seine eigenen Söhne abzugeben, und nicht an die Söhne seines älteren Bruders, der eigentlich Kaiser geworden wäre. Diese Entscheidung, dass Ludwigs Sohn Lothar den Thron besteigen sollte, fiel im Jahre 817. Prinz Bernhard sah, dass ihm das Reich entzogen wurde und ließ verlauten, dass er diese Entscheidung nicht anerkennen würde.

Inhalt

Krieg zwischen Ludwig und Bernhard

Es kam zu einem Krieg. Oheim (Mutterbruder) und Neffe rückten einander mit einem Heer entgegen. Ludwig tat so, als ob er sich mit dem Prinzen unterhalten wollte, und Bernhard, der ihm zu viel traute, ließ sich unbedachtsam zu ihm in sein Lager locken. Jetzt hatte ihn der fromme Ludwig in seiner Gewalt, ließ ihn als Hochverräter verurteilen und erteilte bald darauf Befehl, dem Frevler die Augen auszustechen. Umsonst warf sich Bernhard ihm zu Füßen, umsonst flehte er um Gnade. Der hartherzige Ludwig blieb unerbittlich und sein grausamer Befehl wurde vollzogen. Drei Tage darauf starb der unglückliche Bernhard unter entsetzlichen Schmerzen – Ich möchte kein Kaiserreich um einen solchen Preis.

Nun kam die Reihe an Ludwigs zwei jüngere Brüder; sie wurden zwar nicht geblendet, aber geschoren und in ein Kloster geschickt.

In der Hoffnung, begnadigt zu werden, hatte sich Bernhard bereden lassen, die Freunde anzugeben, welche ihm zum Krieg geraten hatten. Sie wurden festgenommen und verloren alle die Augen, nur die Geistlichen nicht, die ihn am hitzigsten aufgewiegelt hatten.

Ludwigs Politik führt zu neuen Streitigkeiten

Ein solcher Mann war Ludwig der Fromme. Man sagt zu seiner Entschuldigung, er habe sich mehr von anderen regieren lassen, als dass er selbst regierte; das ist wahr, und deswegen hätte man ihn Ludwig den Schwachen nennen sollen. Fromm war er nur, in sofern er fleißig Andachtsübungen anstellte, die Geistlichkeit freigiebig beschenkte und durch den Mönch Ansgar einen Teil der Dänen und andere nordische Völker bekehren ließ.

Ludwig handelte gegen seinen Neffen Bernhard zu grausam, gegen seine eigenen drei Söhne bewies er sich zu schwach. Er gab jedem schon zu seinen Lebzeiten ein Königreich. Da ihm aber in der Folge von seiner zweiten Gemahlin Judith noch ein Sohn geboren wurde, so wollte er eine andere Teilung vornehmen und darüber empörten sich die undankbaren älteren Söhne.

Ludwigs Strafe

Es kam zu einem förmlichen Krieg. Der Papst und die meisten Bischöfe waren auf der Seite der Aufrührer und verführten durch falsche Vorstellungen, Zureden und Drohungen das Heer des Vaters. Ludwigs Truppen, anstatt für ihn zu kämpfen, gingen auf dem Schlachtfeld, noch ehe der Kampf anfing, größtenteils zu den unnatürlichen Söhnen über. Dies geschah in der Gegend von Colmar, im heutigen Elsaß, wo noch jetzt der Platz, wo Ludwig und sein Heer durch Unwahrheiten getäuscht wurden, das Lügenfeld heißt. Der verlassene Vater wurde gefangen genommen, vom Thron gestoßen und zu öffentlicher Kirchenbuße verurteilt; dabei musste er sehen, wie seiner jungen Gemahlin Judith und ihrem Sohn Karl, die Haare abgeschoren und beide in ein Kloster gesteckt wurden.

Ludwigs Sohn Lothar

Der schlimmste unter Ludwigs undankbaren Söhnen war Lothar, den er doch zu seinem Mitregenten angenommen hatte. Dieser Unmensch Lothar wollte sich die Freude machen, bei der entehrenden Buße, die seinem Vater auferlegt war, selbst anwesend zu sein. Sie sollte in der Kirche von Soissons stattfinden. An dem festgesetzten Tag erschien Ludwig, von einer Menge Bischöfe, Domherren und Mönchen umgeben. Ein härenes Gewand, wie die Büßenden es zu tragen pflegten, wurde vor dem Altar ausgebreitet. Ludwig musste davor hintreten.

Der Erzbischof gebot ihm, sein Wehrgehänge, sein Schwert und sein Kleid abzulegen, sich mit dem Gesicht zur Erde niederzuwerfen und um seine Bestrafung zu bitten. Dies geschah und nun musste er auf den Knien ein schriftliches Bekenntnis aller seiner Sünden ablesen, unter welchen auch angeführt war, dass er einmal sein Heer in der Fastenzeit hatte marschieren und am Gründonnerstag ein Parlament zusammen berufen lassen. Nach geschehener öffentlicher Abbitte wurde er verurteilt, mit einem härenen Kleid bedeckt, auf Lebenszeit in ein Kloster eingeschlossen zu werden und diese Strafe wurde vollzogen.

abb. 4: lügenfeld, kaiser ludwig kniet vor seinem sohn ludwig nieder.

Ludwigs Befreiung und sein Tod

Aber Ludwig blieb nur ein Jahr lang in dem Gefängnis. Sein zweiter Sohn, Ludwig der Deutsche, und dessen jüngerer Bruder, Pippin, gingen in sich, befreiten wieder den unglücklichen Vater, gaben ihm seine Gemahlin, nebst seinem jüngsten Sohn Karl zurück und setzten ihn wieder auf den Thron.

Schon drei oder vier Jahre darauf erregte aber der alte Ludwig durch eine neue Teilung neue Unzufriedenheit und eben dieser Ludwig der Deutsche, der ihn aus dem Kloster geholt hatte, vergaß sich so weit, dasser ein Heer sammelte und gegen seinen Vater zu Felde zog. Ludwig rückte ihm entgegen, starb aber an der Schwindsucht und noch mehr vor Gram in seinem Zelt bei Ingelheim auf einer Rheininsel (840). „Mein Sohn Ludwig“, sprach er scheidend de Umstehenden, „raubt mir, durch den Kummer über seine Empörung, das Leben; sagt ihm aber, dass ich ihm verzeihe.“

Schlusssatz

So starb Ludwig der Fromme, oder der Schwache; so empfing er durch seine eigenen Söhne den verdienten Lohn für die Falschheit und Grausamkeit, mit der er seinen Neffen Bernhard behandelt hatte. Es ist selten gut, wenn Eltern das, was sie besitzen, schon zu ihren Lebzeiten unter ihre Kinder verteilen. Ludwig soll übrigens leutselig, freigiebig und ein Freund der Wissenschaften gewesen sein. Er ließ die ganze heilige Schrift in deutsche Reime übersetzen, damit auch Ungelehrte sie lesen und verstehenkonnten.

Quelle:

  • Dr. Georg Ludwig Jerrer: Die Weltgeschichte für Kinder, Band 2, 5. Ausgabe, Nürnberg: Verlag von Friedrich Campe, 1833.
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