Heinrich der Vogelsteller

Einführung

Viel würdiger könnte man ihn Heinrich den Großen nennen, denn es wurden große Taten von ihm getan und das tief gesunkene und zerrüttete deutsche Reich durch ihn in weniger als zwanzig Jahren wieder hochgehoben. Er wurde wirklich auf Konrads Empfehlung, und weil er als ein tapferer, gehaltvoller, frommer, leutseliger, tätiger und gerechter Fürst schon allgemein bekannt war, von den meisten Fürsten zum König gewählt.

Inhalt

Heinrich verweigert die Salbung zum König

Nach geschehener Wahl nahte sich ihm der Erzbischof von Mainz, um ihn mit geweihtem Öl zu salben, als ob die Salbung durch Priesterhand ihn erst vollends zum König machen müsste; aber Heinrich hielt ihn ab. „Spart euer heiliges Öl für Würdigere“, sagte er; „für mich ist eine solche Ehre zu groß. Mir genügt es, dass ich aus meinem Volk der Sachsen als erster zur königlichen Würde gelangt bin.“ (919.)

Heinrich tat dies als klugen Schachzug, denn er wusste, dass der vorige König Konrad I. abhängig gewesen war von dem Einfluss seiner geistlichen Berater. Er hatte sich nicht aus diesem Netz befreien können, und genau das wollte Heinrich bei sich selbst von Anfang an verhindern. Außerdem hatte zuvor ein frommer Bischof, namentlich Sigmund von Halberstadt, seine Ehe mit der schönen Hatheburg zerstört. Deshalb könnte eine persönliche Abneigung gegen die Geistlichkeit ihn letzten Endes zu seiner Entscheidung bewogen haben, sich nicht von Geistlichen salben zu lassen, sondern ein konsequent weltlicher König zu sein.

Heinrich handelt einen merkwürdigen Waffenstillstand aus

Heinrich machte jetzt sogleich Anstalten, in dem durch innerliche Kriege und die Einfälle fremder Völker so sehr zerrütteten Deutschland die Ruhe und Ordnung wieder herzustellen und es in besseren Verteidigungszustand zu setzen. Während er aber gerade damit beschäftigt war, kamen die furchtbaren Ungarn wieder und drohten mit neuen Verwüstungen. Zum Unglück lag Heinrich zu dieser Zeit krank im Bett; trotzdem wurden die Feinde zurück gedrängt.

Um Zeit zu besseren Vorbereitungen gegen ihre Angriffe zu gewinnen, bot ihnen Heinrich einen neunjährigen Waffenstillstand an. „Wir sind bereit dazu“, sagten ihre Anführer, „nur aber gegen einen jährlichen Tribut von so viel tausend Pfund Goldes, wie deine Vorgänger ihn schon entrichteten“. „Das versteht sich“, sagte Heinrich, „und ich gebe euch mein königliches Wort, dass ihr, so lange der Frieden bestehen wird, einen pünktlichen Bezahler an mir haben sollt. Ihr braucht das Geld nicht einmal zu holen; ich werde es euch immer zu einer gesetzten Zeit selbst senden“.

Heinrich bildet das deutsche Volk für den Krieg aus

Damit waren die Ungarn zufrieden und zogen wieder ab. Davor hatte Heinrich schon die treulosen Franzosen gezüchtigt und ihnen Lothringen abgenommen. Jetzt benutzte er die Muße des Friedens, seine Deutschen in den Waffen zu üben; er lehrte sie, in geschlossenen Gliedern zu marschieren, schnelle Schwenkungen zu machen, in guter Ordnung anzurücken und sich zurückzuziehen.

Auch stellte er ritterliche Spiele an und versah auch den normalen Mann mit Waffen. Damit die Feinde nicht so leicht in das Innere des Landes eindringen konnten, legte er eine Menge Burgen und Städte, mit starken Mauern umgeben, an. Jeder neunte Berufskrieger musste von seinem Land in diese Städte und Burgen ziehen und sie verteidigen helfen; dafür wurde der Krieger, weil er sich selbst seinen Unterhalt nicht mehr verdienen konnte, von den anderen ernährt. Die Bewohner und Verteidiger solcher Städte und Burgen nannte man Burger oder Bürger. So entstand der Bürgerstand.

In Kriegszeiten führten die Bürger die Waffen. Wenn ein Feind in das Land eindrang, verließen sie ihre Mauern, waren flink hinter seinem Nachtrab her, töteten ihm eine Menge Leute, nahmen seine Wagen, sein Gepäck weg und wenn er mit Macht gegen sie zurückschlug, zogen sie sich in ihre Städte zurück.

Die Bürger fertigen Qualitätsware

In Friedenszeiten, wenn sie nicht wussten, wie sie ohne Feldbau ihre Zeit besser verbringen könnten, lernten sie mancherlei Handwerke und Künste. Durch stetige Übung lernten sie bald viel schöner und besser arbeiten als die Bauern auf dem Lande, die sich bis dahin ihre Zeuge, ihre Kleider, ihr Hausgerät, sogar ihre Häuser selbst herstellten. Deswegen kamen die Landleute von den Dörfern in die Städte, kauften ein, was sie benötigten, fanden alles schöner und besser als auf dem Land und ersparten damit im Sommer viel Zeit für andere Dinge, da sie nicht mehr alles selbst herstellen mussten.

Nach manchen Dingen, wie z. B. Messern, Sicheln, Sensen, Mützen und Strümpfen war die Nachfrage bald so stark, dass man sie in großer Menge machen ließ: so entstanden später die Fabriken. Manche Gegenstände konnte man nicht selbst fertigen, oder man konnte sie woanders besser haben; man ließ sie daher in Menge kommen und so fing ein Handel an, der in der Folge immer bedeutender und ertragreicher wurde. Der Wohlstand nahm zu und nach und nach erhoben sich in den Städten reiche Häuser.

Bewährungsprobe für Heinrichs Heer

Bald fand Heinrich Gelegenheit, seine neu abgerichteten Soldaten zu Felde zu führen. Die Wenden, ein Volk, das die Länder an der Elbe, der Saale und der Havel bewohnte, machte einen Aufstand gegen ihn. Er zog gegen sie aus, schlug sie und, um sie besser in Zaum zu halten, ließ er in dem Fleck Brannibor eine Burg erbauen und setzte einen Markgrafen, einen Beschützer der Grenzen, über das Land. Dies war der Ursprung der Markgrafen von Brandenburg, die noch im 19. Jahrhundert Könige von Preußen waren.

Ebenso ernannte er einen Markgrafen zu Meißen gegen einen anderen Wendenstamm. Von dort aus wurde die ganze Lausitz, auch die Stadt Prag, erobert, welche slavischen Völkern gehörte. Später züchtigte er die dänischen Normänner, die Norddeutschland durch ihre Einfälle verwüsteten; sie wurden von ihm über der Eider in ihrem eigenen Land aufgesucht, wo er ihnen eine ihrer besten Provinzen abnahm und einen Markgrafen darüber setzte. Damit entstand die Markgrafschaft Schleswig.

Der Krieg mit den Ungarn beginnt

Jetzt war der Waffenstillstand mit den Ungarn zu Ende. Es wurde ihnen kein Tribut mehr gezahlt. Sie sandten Abgesandte, um den Tribut zu holen; aber diese wurden beschimpft und abgewiesen. Anstatt der erhofften Säcke voller Gold gab ihnen Heinrich, wie man sagt, einen räudigen Hund und machte sich lustig über sie und ihre Drohungen.

abb. 6: könig heinrich der vogelsteller provoziert die ungarn mit räudigem hund

Hoch erzürnt kehrten die Botschafter zurück und ermunterten ihr Volk, schreckliche Rache an dem Beleidiger zu nehmen. Tatsächlich brach schon im Jahr 933 ein furchtbarer Schwarm Ungarn – manche (übertreibenden) Geschichtsschreiber reden von 300.000 Mann, – in Sachsen und Thüringen ein und hausten fürchterlich. Auch Heinrich hatte ein mächtiges und gut geübtes Heer. Er ließ sie bis Sondershausen (zwischen Leipzig und Kassel) vordringen; und bei Merseburg kam es zu einer Schlacht, in welcher die Ungarn schmählich in die Flucht gejagt und zu vielen Tausenden niedergehauen wurden.

Alle, die man lebendig in die Hände bekam, ließ Heinrich als Räuber und Mordbrenner an die Bäume hängen. – Vermutlich hatte sich der Schwarm nach seiner alten Gewohnheit, bei seinem Eintritt in Deutschland, sogleich raubend und plündernd nach allen Seiten zerstreut, sich dadurch geschwächt und sich seine schimpfliche Niederlage selbst zubereitet.

Schlusssatz

Deutschland genoss nun lange Ruhe vor diesem Raubgesindel. Heinrich überlebte aber seinen glorreichen Sieg nur um zwei Jahre. Er starb 936 mit 59 Jahren. Vorher aber ließ er, dankbar gegen die Gottheit, die so augenscheinlich seine Waffen gesegnet hatte, viele Kirchen und Klöster erbauen, legte zwei neue Bistümer in Brandenburg und Havelberg an und verordnete, dass die Töchter der edlen Deutschen, die im Kampf fürs Vaterland gefallen waren, in Quedlinburg anständig erzogen werden sollten. Dies war der Ursprung des fürstlichen Damenstiftes von Quedlinburg, in welcher Stadt auch Heinrich begraben liegt.

Quelle:

  • Dr. Georg Ludwig Jerrer: Die Weltgeschichte für Kinder, Band 2, 5. Ausgabe, Nürnberg: Verlag von Friedrich Campe, 1833.
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